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0060 - Ich saß im Todesblock

0060 - Ich saß im Todesblock

Titel: 0060 - Ich saß im Todesblock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich saß im Todesblock
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zum Arzt will, wird er hingebracht. Täuscht er etwas vor, wird es der Arzt schon feststellen.«
    Croom liebte es nicht, wenn ihm widersprochen wurde. Er sagte schärfer, als es nötig war: »Soll das eine Kritik an mir sein?«
    Leemington setzte sich seine Mütze auf. Er marschierte zur Tür, drehte sich doch noch einmal um und sagte: »Es steht Ihnen frei, meine Worte so aufzufassen, wie es Ihnen beliebt. Ich komme nachher noch einmal vorbei, Miss Ronger, um mir die Bescheinigung abzuholen.«
    Lydia nickte ihm freundlich zu.
    »Tun Sie das, Lieutenant. Ich werde die Bescheinigung vorbereiten.«
    Leemington grinste und verließ das Vorzimmer. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, sagte Captain Croom: »Ein vorlauter Bursche! Aber ich werde ihn schon noch klein kriegen.«
    Lydia sagte nichts dazu, obgleich sie spürte, dass der Captain auf eine Bestätigung seiner Worte wartete. Als die Stille im Raum anfing, zu einer gespannten Atmosphäre zu werden, erkundigte sich Lydia, ohne den Captain eines Blickes zu würdigen: »Wünschen Sie etwas Bestimmtes, Captain?«
    Captain Croom räusperte sich. »Ich wollte Sie etwas Privates fragen.«
    Lydias Stimme war kühl und sachlich, als sie erwiderte: »Und das wäre?«
    Croom trat einen Schritt näher. »Ich wollte Sie fragen, ob sie Lust haben, am Samstag mit mir auszugehen?«
    Lydia beschäftigte sich intensiv mit dem Farbband ihrer Schreibmaschine, bis sie den Anreiz, in ein schallendes Gelächter aufzubrechen, überwunden hatte, dann hob sie den Kopf und sagte mit höflich gespieltem Bedauern: »Tut mir leid, Captain. Das habe ich gerade Lieutenant Leemington versprochen.«
    Croom biss sich ärgerlich auf die Unterlippe. Seine Brauen zogen sich wütend zusammen, bis sie wie ein einziger schmaler Strich über den funkelnden Augen standen.
    »So!«, brummte er enttäuscht, »na ja… So wichtig ist es ja auch nicht.«
    Lydia hatte gerade vor, sich zu erkundigen, weshalb er sie dann eigentlich einladen wollte, aber Doc Fehlinger betrat gerade das Zimmer.
    Seine Trunksucht hatte ihm seine früher recht einträgliche Praxis ruiniert, und nun hatte er eine Anstellung als Zuchthausarzt gefunden. Sein schlohweißes Haar umgab den massigen Gelehrtenschädel wie eine dichte Löwenmähne. Die buschigen Augenbrauen hoben sich unwillig, als er Captain Croom im Zimmer entdeckte. Er ging auf ihn zu, blieb dicht vor ihm stehen und knurrte: »Miller wäre beinahe gestorben, Captain!«
    Croom zuckte die Achseln. »Was geht mich das an?«
    »Was Sie das angeht? Miller ist in Ihrer Abteilung. Er krümmte sich drei Tage lang vor Schmerzen, bevor Sie ihn endlich zu mir schickten. Drei Stunden später hätte auch eine Operation nichts mehr genutzt.«
    »Na und? Dann wären eben dem Steuerzahler für den Lebensunterhalt dieses Zuchthäuslers die Ausgaben erspart geblieben.«
    Doc Fehlinger rieb sich gereizt die schlanken Finger.
    »Das ist Ihre ehrliche Überzeugung?«
    »Allerdings!«
    »Dann sind Sie der größte Lump, der je auf Gottes Erdboden herumgelaufen ist.«
    Captain Croom riss seine Hände hoch. Er packte den schmächtigen Alten an den Jackettaufschlägen und schüttelte ihn.
    »Sie werden sich sofort für diese Beleidigung entschuldigen!«
    »Ich denke nicht daran. Es ist ja nicht das erste Mal, dass so etwas mit Leuten aus Ihrer Abteilung passiert. Wenn ich etwas zu sagen hätte, würden Sie eine andere Uniform tragen, Captain, nämlich eine gestreifte mit einer Nummer vorn auf der Brust.«
    Captain Croom schlug zu. Doc Fehlinger taumelte rückwärts durch den Raum, stieß gegen ein Aktenregal und hielt sich mühsam fest. Aus seinem linken Mundwinkel sickerte ein dünner Blutstreifen.
    »Leider gibt es keine Paragrafen für verbrecherische Gesinnung«, stieß er keuchend hervor, »sonst kämen Sie aus dem Zuchthaus nicht wieder heraus. Irgendwann wird Sie ein Sträfling totschlagen, Captain, und ich werde der Letzte sein, der es bedauern würde.«
    In diesem Augenblick öffnete sich die ledergepolsterte Doppeltür im Hintergrund des Raumes. Direktor Ronger erschien in der Tür und fragte: »War irgendetwas? Ich hörte etwas poltern.«
    Doc Fehlinger wischte sich das Blut vom Kinn und sagte schnell, bevor Lydia oder Croom etwas erwidern konnten: »Ich bin gestolpert. Muss wohl eine Falte im Teppich gewesen sein.«
    Ronger sah ihn lange an. Dann murmelte er leise: »Ich will Sie nicht kritisieren, Doc, aber manchmal trinken Sie wirklich zu viel.«
    Direktor Ronger ging

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