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0061 - Der Hexenberg

0061 - Der Hexenberg

Titel: 0061 - Der Hexenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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diese Dienerinnen der Finsternis keine Chance.
    Willenlos kehrte sie an den Platz zurück, den man ihr zugewiesen hatte. Dann folgte sie dem Beispiel der anderen und kauerte mit gekreuzten Unterschenkeln nieder.
    Die Position war unangenehm. Anfänglich hatte sie sogar Mühe, das Gleichgewicht zu bewahren, aber je weiter die Zeremonie ihren Fortgang nahm, desto unempfindlicher wurde sie für die Mühsale, die ihre Glieder erleiden mussten.
    Sie fiel in eine Art Trance. Die Konfiguration der maskierten Gestalten, deren fest integrierter Bestandteil sie war, barg keine Geheimnisse mehr. Jede Frau bildete die Spitze einer magischen Figur, eines zauberträchtigen Pentagramms. Unsichtbare Funken schienen von Spitze zu Spitze zu springen, schienen ein Band zu knüpfen, das keine Macht der Welt zerreißen konnte.
    Aber nicht nur untereinander entstand eine Verbindung. Die mit normalen Augen nicht sichtbaren Funken, angetrieben von einem atonalen Singsang der vier Dienerinnen, sprangen über in eine Ebene, die nicht im Diesseits lag. Kontakt zu einer anderen Welt wurde hergestellt.
    Eine Brücke entstand, die zum Überqueren des Abgrunds zwischen den Welten einlud.
    Und Er nahm die Einladung an.
    Er kam.
    Astabaal!
    Da war plötzlich ein Brausen in der Luft und schwoll zur Orkanstärke an. Die Nachtluft wurde kalt wie flüssiges Helium. Reif überzog die Zweige der Föhren. Der Frost klirrte wie Glas.
    Vom Gipfel des Hügels näherte sich, gewaltige Schwingen schlagend, im Sturzflug eine dunkle, riesige Gestalt.
    Der Herr des fließenden Blutes!
    Wahnsinn drohte Nicole zu übermannen, als der Unhold unmittelbar vor ihr landete.
    Sie schloss die Augen, konnte den entsetzlichen Anblick kaum ertragen. Nur vage Eindrücke fanden Eingang in ihr Bewusstsein.
    Fledermausflügel… lederhäutiger Torso … blutunterlaufene, aber leere Augen und pfeilspitze Reißzähne … der süßfaule Geruch von Blut und Moder …
    Dann spürte sie klauenartige Hände auf ihrem Körper.
    Ein gnädiges Schicksal ließ sie das Bewusstsein verlieren.
    ***
    In dieser Nacht ging Professor Zamorra nicht mehr zu Bett. Unruhe und Sorge nagten an ihm.
    Nicole! Wieder einmal trat ihm ganz klar vor Augen, wie viel ihm das Mädchen bedeutete. Wenn ihr etwas passiert war… Er würde diesen Weibsteufel, diese Fabienne Duquesne, jagen bis ans Ende der Welt. Und wenn es sein musste auch darüber hinaus.
    Was ihm am meisten an die Nieren ging, war die absolute Tatenlosigkeit, zu der er verurteilt war. Er hatte keinerlei Ansatzpunkt, wo er einhaken konnte. So blieb ihm nichts anderes übrig als zu warten und darauf zu hoffen, dass Nicole zurückkehrte.
    Wann? Woher? Er wusste es nicht. Sein Wissen reichte nicht einmal aus, um Spekulationen anzustellen.
    Er konnte nicht allein bleiben mit seiner Unrast, und so weckte er Bill Fleming auf.
    Der Freund reagierte anfänglich ein bisschen ungnädig. Als er aber hörte, was los war, vergaß er seinen Ärger über die gestörte Nachtruhe auf der Stelle. Im Handumdrehen war er hellwach. Auch ihn hielt es nicht mehr im Bett. Wenig später war er voll angekleidet und bereit, die Welt aus den Angeln zu heben – wenn er gewusst hätte, wo er den Hebel ansetzen sollte.
    »Eins steht jedenfalls fest«, sagte er und stellte damit seine praktische Ader unter Beweis. »Hier in meinem Zimmer wird weder Nicole noch dieses Weibsstück auftauchen. Was wollen wir also noch hier? Gehen wir nach draußen, meinetwegen in den Schlossgarten. Vielleicht kommen uns an der frischen Luft ein paar Gedanken.«
    Zamorra war einverstanden. Nicht weil er glaubte, dass ihm im Freien tatsächlich mehr einfallen würde. Er tat es, um der bedrückend wirkenden Enge geschlossener Räume zu entgehen.
    Aber der Schlosspark wirkte eher noch deprimierender. Überall waren die Spuren des Verfalls zu sehen. Zamorra, ansonsten ein Mensch, der es verstand, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten, entwickelte einen echten Hass auf die Gouvernante.
    Mehr als eine Stunde verging. Die Freunde gingen ziellos unter verdorrten Bäumen und neben verkümmerten Blumenbeeten einher.
    Es war inzwischen halb vier morgens geworden. Die nächtliche Ruhe überlagerte alles. Nichts war zu sehen oder zu hören außer ihren eigenen Schritten, die auf den Kieswegen knirschten.
    Sie waren gerade im rückwärtigen Teil des Gartens, als sie jenseits der Schlossgrenze, die durch einen Jägerzaun markiert wurde, schließlich doch etwas hörten.
    Motorengeräusch!
    Dort näherte sich

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