Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0061 - Der Hexenberg

0061 - Der Hexenberg

Titel: 0061 - Der Hexenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
Vom Netzwerk:
nicht sagen.«
    Die Lösung des Rätsels ließ überraschenderweise nicht lange auf sich warten.
    Das stereotype Geräusch der fallenden Wassertropfen, die einzigen Laute, die an ihr Ohr drangen, wurde auf einmal von anderen Geräuschen in den Hintergrund gedrängt.
    In einer anderen Ecke des Verlieses klang ein Schaben auf, das sich anhörte, als würde jemand mit einem Besen über den Boden kehren.
    Das Gespräch der beiden Männer verstummte abrupt. Beide blickten angespannt in die betreffende Ecke. Das diffuse Licht machte es ihnen nicht leicht, etwas zu erkennen. Schließlich jedoch konnten sie es sehen.
    Eine Schlange!
    Sie schlängelte sich durch eine Lücke zwischen zwei Quadern. Der Spalt war eigentlich viel zu schmal, um das oberarmdicke Reptil durchzulassen. Aber die Schlange schaffte es. Züngelnd schob sich ihr Kopf immer weiter in den Raum hinein, den glatten Leib nach sich ziehend.
    Das Tier war von atemberaubender Scheußlichkeit und erfüllte Zamorra und Fleming mit sofortigem Ekel. Die giftgrüne Schuppenhaut, durchwirkt von schwarzen und roten Ringmustern, war über und über mit einer gallertartigen Schleimschicht bedeckt. Unsagbar tückische Augen funkelten in dem dreieckigen Kopf. Nadelspitze Zähne wurden von einer gespaltenen Zunge umspielt.
    Die Kreatur schlängelte sich in bizarren Zuckungen über den Steinboden, kam genau auf die Stelle zu, an der die beiden an ihren Ketten hingen. Zwischen ihnen machte sie halt, hob ihren widerwärtigen Kopf in die Luft, ließ ihn nach links und rechts pendeln. Mehrfach stieß sie dabei gegen die Beine der Männer. Schauer des Abscheus und des Entsetzens liefen Zamorra und Bill den Rücken hinunter. Sie rechneten jeden Augenblick damit, dass das Reptil seine Zähne in ihr Fleisch schlagen und lähmendes Gift in die gerissenen Wunden spritzen würde.
    Aber es kam anders.
    Plötzlich veränderte sich der widerwärtige Schlangenkopf. Er verlor seine dreieckige Form, wurde runder und breiter. Die Schuppen wichen zurück, machten weiß schimmernder Haut Platz. Die Umrisse eines menschlichen Gesichts begannen sich abzuzeichnen. Den beiden Männern traten beinahe die Augen aus den Höhlen. Was sich hier abspielte, war abstoßend und faszinierend zugleich. Dann war die Metamorphose abgeschlossen.
    Der Kopf, der jetzt auf dem zuckenden Schlangenleib saß, zeigte das Gesicht eines Menschen.
    Das Antlitz einer Frau.
    Das Gesicht Nicole Duvals!
    Zamorra musste sich ungeheuer beherrschen, um nicht laut loszuschreien. Und Bill Fleming ging es in dieser Beziehung keinen Deut anders.
    »Nicole!«, flüsterte er beinahe tonlos.
    Der Professor schüttelte heftig den Kopf. »Das ist nicht Nicole«, sagte er heftig. »Das ist die Frau, die wir vorhin in dem Boudoir gesehen haben.«
    Das Mädchengesicht verzog sich zu einem bösen Lächeln.
    »Sie sagen es, Monsieur«, hörten sie eine melodische Stimme, eine Stimme, die der Nicoles zum Verwechseln ähnlich war.
    »Wer bist du?«, fragte Zamorra. Er musste sich regelrecht zwingen, dieses Gesicht anzusehen, das ihn auf so bedrückende Weise an das ungewisse Schicksal seiner Freundin erinnerte.
    »Das frage ich Sie«, antwortete die Schlange mit dem Kopf Nicole Duvals.
    »Das weißt du nicht?« Zamorra war verblüfft. Er hatte eigentlich gedacht, dass sämtliche Dämonen mittlerweile über ihn Bescheid wussten. Sollte er sich in dieser Beziehung getäuscht haben?
    »Ich bin leider nicht allwissend«, antwortete das unheimliche Geschöpf ausweichend.
    Zamorras scharfer Verstand arbeitete auf Hochtouren. Er hatte schon des öfteren Begegnungen mit Dämonen gehabt. Aber niemals war einer darunter gewesen, der eine Schwäche eingestanden hätte.
    Dieses Geschöpf hier jedoch gab unumwunden zu, nicht allwissend zu sein. Wenn das keine Schwäche war, dann wusste er es nicht.
    »Du bist kein Dämon!«, sagte er aufs Geradewohl.
    »Erraten!«, stimmte der Mädchenkopf zu. »Ich bin nur eine keine Hexe.« Ein unangenehmes Kichern erklang. »Aber das soll nicht hei- ßen, dass ich nicht einiges von den Künsten der Dämonen verstehe.«
    Zamorra konnte ihr da nicht widersprechen. Hexen waren Menschen, die ihre Seele dem Reich der Finsternis verschrieben und als ›Belohnung‹ in einige dunkle Geheimnisse eingeweiht wurden. Fabienne Duquesne war eine Hexe, von deren Kräften er bereits einige Kostproben bekommen hatte. Wie es aussah, wurden die Möglichkeiten der Gouvernante von dieser Hexe hier jedoch weit in den Schatten gestellt. Das

Weitere Kostenlose Bücher