0063 - Der Hüter des Bösen
Sekretärin des bekannten Professor Zamorra wohl kaum mit irgendwelchen Terrororganisationen in Verbindung zu bringen waren.
»Zamorra?«, unterbrach de Witter. »Der Parapsychologe?«
»Sie kennen Professor Zamorra?«
»Ich habe mehrere seiner Bücher gelesen«, antwortete der Kommissar. »Kluger Mann. Und Sie sagen, Sie sind Freunde von ihm?«
»So ist es.«
De Witter wurde merklich freundlicher. Offenbar ein Mann, der sich durch Namen beeindrucken ließ. »Reden Sie weiter, Monsieur Fleming.«
Bill tat dies. Spontan entschloss er sich, die ganze Wahrheit zu sagen, mochte sie sich auch noch so verrückt anhören. Er ließ nichts aus, auch nicht die zwielichtige Rolle, die Nicole dabei spielte. Letztlich hatte sie nichts getan, was sie mit den Gesetzen in Konflikt brachte. Alle hörten aufmerksam und verwundert zu – de Witter, seine Leute und auch Nicole.
»Tigerwesen?«, fragte der Kommissar, nachdem Bill zum Abschluss gekommen war.
»Tigerwesen«, bestätigte der Historiker.
»Hm!«, machte de Witter. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und blickte nachdenklich an die weiß getünchte Decke des Verhörzimmers. Dann tat er etwas Überraschendes.
Er ließ Nicole und Bill die Handschellen abnehmen und erklärte ihnen, dass sie frei seien.
»Aber es versteht sich natürlich von selbst, dass Sie sich zu unserer Verfügung zu halten haben«, sagte er. »Wo wohnen Sie hier in Brüssel?«
Bill nannte ihr Hotel. »Sie glauben uns, Kommissar?« Diese Frage konnte er sich nicht verkneifen.
»Vielleicht«, antwortete de Witter ausweichend. »In jedem Fall… Halten Sie sich zur Verfügung.«
Wenig später brachte sie ein Streifenwagen zum Flughafen, wo der Citroën noch immer stand.
Auf der Fahrt zurück zum Hotel bemühte sich Bill erneut, Nicole auf den Weisheitszahn zu fühlen.
»Sag mal, Nicole«, schoss er eine Frage aus heiterem Himmel ab, »warum wolltest du ursprünglich eigentlich nach Paris fliegen?«
Sie hob die Augenbrauen. »Woher weißt du das?«
»Kleine Tricks. Also?«
Nicole blickte sinnend vor sich hin. »Du wirst mich wirklich für verrückt halten, aber ich kann es dir nicht genau sagen.«
»Dann sag es mir ungenau.«
Sie schluckte, schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Der Grund war wohl dieser Mouslin. Ich wollte ihm auf die Pelle rücken.«
»Ja, aber warum denn nur? Du kanntest den Mann doch gar nicht.«
»Ich weiß, ich weiß! Trotzdem… Ich erkannte plötzlich, dass mein Flug nach Paris überflüssig geworden war, weil sich Mouslin bereits auf dem Weg nach hier befand. Ich wusste, dass er kommt, dass er mich suchen würde! Da war ein furchtbares Hassgefühl in mir. Nicht einmal gegen ihn persönlich, mehr gegen … Tut mir leid, Bill, ich finde selbst keine Erklärung.«
Bill, der am Steuer saß, konzentrierte sich auf den Verkehr, der ihm als Ortsunkundigen doch einige Schwierigkeiten bereitete. Aber er verlor dabei den roten Faden nicht aus dem Auge.
Hassgefühl!
Nicole schien nur noch aus Hass zu bestehen. Zuerst Hass auf Zamorra, dann Hass auf diesen Mouslin. Es interessierte ihn, was sie jetzt über den Professor dachte.
»Schade, dass Zamorra nicht hier ist«, sagte er wie nebenbei.
Mit diesen Worten hatte er einen schlafenden Vulkan geweckt. Nicoles Miene umwölkte sich.
»Zamorra!«, zischte sie. »Professor Zamorra!«
Verdammt, da war es wieder… Bill fuhr sich mit einer Hand über die Augen. Für einen kurzen Augenblick hatten sich ihre Gesichtskonturen verschoben, hatten sie die Umrisse der ihm nun schon bald vertrauten Geierfratze angenommen.
»Zamorra ist ein feiner Mensch, nicht wahr?«, sagte er.
»Ein feiner Mensch? Ein Lump, ein Schweinehund, ein verabscheuungswürdiges Individuum!«
»Auf einmal wieder?«, fragte Bill. »Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass du in letzter Zeit mehr an Georges Mouslin, als an ihn gedacht hast.«
Nicole antwortete nicht sofort. »Ganz unrecht hast du nicht«, antwortete sie dann langsam. »Zeitweilig hatte ich ihn wirklich vollkommen vergessen. Der Mann in Paris schien mir wichtiger. Nachdem du den jedoch erschossen hattest… Weißt du was, Bill? Am liebsten möchte ich Zamorra kaltlächelnd töten!«
Es lief Bill kalt den Rücken herunter. Er warf Nicole einen scharfen Seitenblick zu. Abermals – Federn in ihren Haaren. Der Mund, ein horniger Schnabel, und dann wieder die normale Nicole. Nein, Nicole war nicht normal! Sie war zu einem vollkommen anderen Menschen geworden. Mensch? Er begann
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