0065 - Gefangen in der Mikrowelt
vorstellen, daß man John Sinclair dorthin verschleppt haben soll.«
»Aber er hat den Louvre nicht verlassen«, sagte Jane Collins. »Wenigstens nicht auf dem normalen Weg.«
»Gibt es auch einen unnormalen?« fragte Fleuvee.
Zamorra gab die Antwort. »Ja, Kommissar, den gibt es. Einen sehr unnormalen sogar.«
Fleuvee schaute Zamorra an. »Erzählen Sie, Professor, ich bin gespannt.«
Der Parapsychologe lächelte. »Sie müssen wissen, Kommissar, daß sich Dämonen und deren Existenz nicht mit normalen logischen Mitteln erklären lassen. Für die Mächte der Finsternis gibt es zwar auch gewisse Gesetze, denen sie unterworfen sind, aber auf der anderen Seite existieren unsere physikalischen Begriffe für sie oft nicht. Das heißt, sie können den Faktor Zeit ausschalten und damit auch unsere Definition von den Dimensionen. Wir können drei Dimensionen begreifen. Länge, Breite, Höhe. Aber das Universum ist vielschichtiger. Es gibt die vierte, die fünfte, die sechste Dimension und noch mehr. Es existiert nicht nur unsere Welt, sondern auch Welten der Dämonen und finsteren Geschöpfe. Sie sind uns nur verschlossen. Zum Glück, kann ich sagen. Doch manchmal gibt es Risse zwischen den Dimensionsgrenzen. Da kann es passieren, daß aus einer anderen Welt jemand in der unsrigen auftaucht und Angst und Schrecken verbreitet.« Zamorra lächelte, als er das verständnislose Gesicht des Inspektors sah. »Aber weiter im Text«, sagte der Parapsychologe. »Zwischen der unsrigen Welt und den anderen bestehen auch Verbindungen, sogenannte transzendentale Tore. Die können überall sein. Es gibt sie als Spiegel, als See oder Teich…«
»… und sogar als Kinoleinwand«, warf Jane Collins ein.
Zamorra nickte. »Das ist richtig. Sie können dann, Kommissar, durch diese Tore in eine andere Welt tauchen. Sie schreiten einfach hindurch, als wären sie nicht vorhanden. Die Rückkehr ist allerdings oft sehr, sehr schwierig.«
Fleuvee schüttelte den Kopf, während sein Assistent mit offenem Mund zugehört hatte.
»Wenn die Sachlage ja nicht so ernst wäre, würde ich Sie für einen phantastischen Märchenerzähler halten, Professor.«
Zamorra lächelte. »Das wäre mir auch lieber. So müssen wir mit der Gefahr leben.«
»Aber was haben all Ihre Erzählungen mit Oberinspektor John Sinclair zu tun?«
»Das will ich Ihnen sagen, Kommissar. Wir müssen damit rechnen, daß John Sinclair durch ein solches Dimensionstor entführt worden ist.«
»Sie meinen, durch eines, das unter dem Louvre liegt. Oder vielmehr im Keller?«
»Vielleicht.«
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte Jane Collins.
»Wieso?« fragte der Parapsychologe.
»Ganz einfach«, erklärte Jane Collins. »Das, was Zamorra auf diesem, sagen wir, Bildschirm gesehen hat, paßt nicht in die Welt der Dämonen. Dort sieht es anders aus. Da gibt es keine Labortische mit Chemikalien, Gläsern, Tiegeln und Töpfen. Nein, John Sinclair und Suko müssen in dieser realen Welt gefangen gehalten werden. Etwas anderes kommt für mich nicht in Frage.«
»Aber wo?« rief Nicole Duval.
Jane hob die Schultern. »Vielleicht in den Katakomben von Paris. Es gibt doch diese bekannte Unterwelt, wie ich schon oft gehört habe.«
»Die existiert«, gab der Kommissar zu.
»Und sie eignet sich auch als Versteck«, sagte Jane.
»Nur, Mademoiselle Collins, diese Katakomben sind riesig. Denken Sie daran. Wir könnten tagelang suchen und werden nichts finden. Es sind zwar zahlreiche Verstecke noch aus der Zeit der Resistance vorhanden, aber die kennen nur wenige.«
»Dann weiß ich auch keinen Rat«, gab Jane Collins zu.
»Bleiben wir beim Louvre«, sagte der Professor. »Ich meine immer noch, daß sich John dort aufhält. Wir müssen, lieber Kommissar Fleuvee, die Keller untersuchen.«
»Ich habe nichts dagegen«, erwiderte der Beamte.
»Wie sieht es mit der Erlaubnis aus?« fragte der Professor.
»Werde ich bekommen.«
»Was hält uns dann noch hier? Erst wenn wir dort nichts finden, können wir…«
Zamorra hielt inne, denn aus dem Nebenraum drang ein dumpfes Poltern. Einen Herzschlag später ertönte ein Schrei, und im nächsten Augenblick flog die Tür nach innen.
Auf der Schwelle stand ein Zwerg.
Und er hielt sein Blasrohr gegen die Lippen gepreßt!
***
Etwas klatschte in mein Gesicht!
Etwas Feuchtes, Kaltes.
Ich öffnete die Augen. Wasser drang hinein, und schon kam der nächste Tropfen. Wuchtig klatschte er mir auf die Stirn. Es war ein Gefühl, als hätte man mich
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