0067 - Der Teufelskrake
schlingern, und bald riß der Strudel es in einen gefährlichen Kreisel hinein, drehte es in Sekundenschnelle jeweils um die eigene Achse.
»Padre!« rief Carlo Corina seinem Vater zu, der vergeblich versuchte, das Steuer zu bedienen. »Vater, du steuerst direkt auf die Felsen zu!«
»Nein!« brach es aus dem alten Fischer heraus. »Ich kann nicht mehr steuern! Die Hölle steuert uns! Das Schiff gehorcht nicht mehr!«
Sie gaben sich bald verloren. Wie eine Nußschale wurde der Kutter in die Tiefe gezogen, leicht wie eine Feder durch einen Wasserdruck von vielen tausend Tonnen wieder emporgeschleudert.
Bald tanzte es auf einem Wellenkamm, bald sank es zwanzig Meter tief hinab oder rutschte in das nächste Wasserloch. Da rollte hoch über ihm schon der nächste Brecher heran.
»Festhalten!« schrie Corina den Söhnen zu. Aber das war leichter gesagt als getan.
Und dann, als der Strudel sie wieder an der äußeren Wasserwand hochschnellen ließ, sahen sie die schnurgerade Spur im Wasser. Eine weiße Spur, die pfeilschnell auf sie zukam.
»Cirelli kommt!« schrie der alte Corina. »Kämpft um euer Leben!«
Er hatte es noch nicht ausgesprochen, als das große Entsetzen kommen sollte. Rechts neben dem Kutter hob sich ein gewaltiger Arm aus dem Wasser und griff nach den dünnen Bootswanten. Und gleich darauf ein zweiter Arm, dick wie das Rohr eines Mörsers, naß und glitschig und drohend. Unbeirrt durch die strudelnden Wasser, kam der Arm auf den Kutter zu und griff nach Carlo, dem ältesten Sohn.
Francesco sah es als erster.
Mit einem Ruck riß er einen der schweren Bootshaken aus der Halterung an der Bordwand.
Mit einem mörderischen Schlag fuhr der Haken nach vorn, fiel krachend auf den Arm des Riesenkraken. Aber die gewaltige Tentakel zitterte kaum merklich.
Aber der Arm gab nach. Sekundenlang.
Da riß sich Carlo aus der Umklammerung. Er griff nach seinem Gurt. Hielt das Messer in der Hand, mit dem er schon manchen Schwertfisch bezwungen hatte.
Er glaubte, auch gegen das Ungeheuer antreten zu können.
»Rette deine Gurgel!« schrie er auf. Und im nächsten Augenblick hatte er sich über den Bootsrand in die tosende See gestürzt. Genau an die Stelle, wo er den glitschigen Hals des Ungeheuers vermutete.
Francesco sah ihn untertauchen.
Erst nach Sekunden kam der Bruder wieder hoch. Er sah aus wie ein kleines Kind, das sich an den Leib der Mutter preßt. So gewaltig waren die Dimensionen des Ungeheuers.
Carlo hielt den feisten Hals des Untiers umklammert. In jeder Sekunde traf ein schwerer Hieb seines Messers Schlund und Kopf des Kraken.
Aber die Schläge und Stiche zeigten kaum Wirkung.
Die anderen konnten dem Bruder nicht helfen. Und Vater Corina versuchte mit dem Mut der Verzweiflung, das Boot aus der Gewalt des Strudels zu befreien.
Nur Francesco machte sich bereit, dem Bruder zu Hilfe zu kommen.
Er stieg auf den Rand des Kutters, tauchte mit einem Hechtsprung hinter dem Kraken ins Wasser.
Zunächst verlor er die Orientierung. Der Sog des Strudels zog ihn nach unten. Jäh wurde sein Körper herumgerissen, dann meinte der Sohn des Fischers, meterweit fortgeschleudert zu werden.
Endlich sah er wieder ein Stück Himmel. Hoch über sich. Aber zwischen ihm und diesem Stück Himmel türmte sich ein Berg von Wasser und Gischt, hoch wie ein Haus, drohend wie eine Lawine.
Dann erst sah er den Kopf des Kraken. Sah den Bruder, dessen linker Arm sich verzweifelt um den Hals des Ungeheuers wand. Und er sah die immer wieder niedersausende Rechte mit dem Messer.
Jeder Fisch wäre unter so tödlichen Schlägen längst besiegt gewesen.
Nicht aber der tückische Krake.
Seine langen Arme schlängelten leicht durchs Wasser, griffen immer wieder nach Carlos Körper.
Francesco sah, wie ein Arm des Kraken auf die Hand mit dem Messer zufuhr. Im nächsten Augenblick flog die Stichwaffe in hohem Bogen davon.
Mit einem gewaltigen Schwimmstoß war Francesco hinter dem Kraken.
Da war es zu spät.
Noch durch das Tosen des Strudels hörte Francesco den Todesschrei des Bruders.
Ein Krakenarm wand sich um Carlos Körper. Zog ihn dichter heran. Preßte ihm die Luft aus dem Leib.
Carlos Kopf kam noch einmal frei.
Aber dann riß ein zweiter Arm des Ungeheuers Carlos Kopf herum, genau in die Mitte von zwei anderen Armen.
Die Krakenarme wanden sich wie Schraubstöcke um Carlos Kopf.
Dann drückte das Ungeheuer die Schläfen des jungen Fischers gegeneinander.
Die Knochensplitter bohrten sich in das Innere von Carlos
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