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0068 - Die Geisternacht

0068 - Die Geisternacht

Titel: 0068 - Die Geisternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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können wir uns wohl alle vorstellen.«
    Bill nickte. »Noch dazu, wo sie hier sozusagen ein Heimspiel haben. Auswärtsmannschaften sind immer schlechter dran. Das gilt nicht nur für Sportveranstaltungen.«
    »Also raus hier!«, schlug Zamorra vor. »Wir müssen uns draußen im Freien irgendwo ein ruhiges Plätzchen suchen, wo wir halbwegs sicher sind. Und dann… Kommt Zeit, kommt Rat.«
    Der Spalt in der Wand war nicht breit genug, um sich hindurchzwängen zu können. Überraschenderweise bereitete es jedoch nicht die geringsten Schwierigkeiten, ihn zu erweitern. Sie brauchten nur dagegen zudrücken. Das Segment schwang weiter zurück, gab den Weg frei.
    Vorsichtig traten sie nach draußen. Die Stadt im Tal war zu weit entfernt, um Einzelheiten erkennen zu können. Dies hatte den Vorteil, dass auch sie von unten nicht ausgemacht werden konnten.
    Und die Bewohner oder Diener des Tempels? Diese Frage war nur mit Schulterzucken zu beantworten. Jedenfalls ließ sich keine Menschenseele blicken.
    Neben ihnen ragte steil eine Tempelmauer in die Höhe. Sie stieg schräg an, in der typischen Pyramidenbauweise der alten mittelamerikanischen Götzenheiligtümer. Stuck, bunt bemalt und mit kunstvollen Reliefs versehen, verkleidete den Stein. Sie alle drei bedauerten sehr, sich nicht mehr Zeit nehmen zu können, um den Originalzustand der Ruine ihrer Epoche gebührend zu bewundern. Das Herz des Historikers Fleming blutete dabei, aber es war immer noch besser, dass das Herz blutete und nicht der Körper, in dem es schlug.
    »Komisch, dass man hier so direkt ins Freie tritt«, wisperte Nicole.
    »Man sollte doch meinen, dass solche wichtigen Räume im Inneren des Tempels liegen.«
    »Irrtum, meine Liebe«, klärte Bill sie auf. »Es gibt kein Inneres des Tempels. Der Kern der Pyramide ist massiv. Die eigentlichen Geschehnisse – religiöse Zeremonien, Opferungen und so weiter – spielen sich weiter oben ab. Auf der Spitze des Tempels, die abgeflacht ist.« Er streckte den Zeigefinger aus. »Da drüben, siehst du die Treppe? Da geht’s rauf. Die Räume hier unten – es gibt mit Sicherheit noch andere – haben rein funktionellen Charakter. Lagerräume für Opferbeigaben, Zellen, in die man die Gefangenen sperrt, die zur Opferung vorgesehen sind, auch Wohnräume der Priester. Und…«, er lächelte ein bisschen verkniffen, »… Wartesäle für Zeitreisende.«
    »Ihr redet zu viel«, schaltete sich der Professor ein. »Es soll schon Menschen gegeben haben, die sich um Kopf und Kragen geredet haben. Wollt ihr unbedingt dazugehören?«
    »Dass wir uns um den Kragen reden, ist ja wohl schlecht möglich. Hast du einen?«, bemerkte Bill in Anspielung auf ihre Nacktheit.
    »Nein, aber ich habe einen Kopf«, sagte Zamorra. »Und den möchte ich eigentlich noch ein Weilchen behalten.«
    »Dem möchte ich nicht widersprechen. Okay, also wohin?«
    Rechts von ihnen, neben dem Tempel, war die Flanke des Vulkans sichtbar. Ein Pfad war nicht zu erkennen, was möglicherweise nur vorteilhaft sein konnte. Wenn es ihnen gelang, unbemerkt die Breitseite der Tempelmauer zu passieren, konnten sie zwischen den Felsen Schutz suchen. Die Gefahr, dass zufällig jemand des nicht existenten Weges kam, war denkbar gering.
    Sie verständigten sich mit wenigen Worten. Dann ließen sie der Idee die Tat folgen. Wie Hundert-Meter-Läufer sprinteten sie los.
    Es war nicht leicht, zumal sie kein Schuhwerk an den Füßen hatten. Spitze Steine bohrten sich schmerzhaft in die solchen Strapazen nicht gewohnten Fußsohlen. Dazu kam die dünne Höhenluft, die Herz und Blut schneller arbeiten ließ. Aber sie schafften es. Zwei Minuten später lag der Tempel in ihrem Rücken, und sie tauchten zwischen Felsgestein und moosartigem Gestrüpp unter.
    Niemand hatte sie gesehen.
    ***
    Sie wurden sich schnell klar darüber, dass guter Rat auch dann teuer war, wenn keine akute Lebensgefahr bestand.
    Länger als eine Stunde hockten sie nun schon in einer gut geschützten Felsmulde, etwa hundert Meter von der Pyramide entfernt. Aber ein zündender Gedanke, wie nun alles weitergehen sollte, war ihnen immer noch nicht gekommen.
    »Fassen wir zusammen«, sagte Zamorra. »Wir sind unbewaffnet wie ein paar Leute von der Heilsarmee, nackt wie neugeborene Kinder und – im Vergleich zu Indianern – weiß wie Schafskäse.«
    »Außerdem kennen wir uns hier aus wie Tarzan im Dschungel der Großstadt«, gab Bill seinen Senf dazu. »Unsere Sprachkenntnisse sind so bedeutend, dass wir

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