Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0068 - Die Geisternacht

0068 - Die Geisternacht

Titel: 0068 - Die Geisternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
Vom Netzwerk:
Rades nicht. Sie lernten es erst durch die Spanier kennen, die ihr Reich eroberten. Ein großes Handicap der aztekischen Heeresführung war das Nichtvorhandensein von räderbestückten Fahrzeugen. Nicht zuletzt deshalb waren sie den Spaniern unterlegen. Was geschieht nun, wenn sie plötzlich Fahrzeuge mit Rädern haben und den Eroberern damit entgegentreten? Sehr fraglich, ob Cortez unter diesen Umständen die Azteken besiegen kann. Und was dann? Die Geschichte nimmt einen vollkommen anderen Verlauf. Das heutige Mexiko, das Mexiko unserer Tage, entsteht wahrscheinlich überhaupt nicht. Seht ihr die Fülle von Paradoxa, die entstehen können? Weltweite Auswirkungen sind möglich. Das darf nicht geschehen. Wir müssen also zuerst einmal feststellen, ob in dieser Welt, in der wir uns jetzt befinden, bereits irgendwelche Ver- änderungen eingetreten sind. Um das feststellen zu können müssen wir wissen, welches Jahr wir jetzt schreiben. Und deshalb … Wie gesagt, der gefangene Indio dort drüben könnte uns helfen.«
    Nach der langen Rede hätte der Professor am liebsten eine Zigarette geraucht. Aber die waren ja, zusammen mit allem anderen, an der Nahtstelle zwischen den Zeiten hängen geblieben.
    Nicole und Bill hatten verstanden, was er sagen wollte. Ganz plötzlich trugen sie alle drei eine ungeheure Verantwortung. Möglicherweise hing das Schicksal der ganzen Welt von ihrem zukünftigen Verhalten ab.
    »Okay«, sagte Bill. »Versuchen wir, den Indianer rauszuholen.«
    ***
    Die Aktion barg zweifellos ein großes Risiko in sich. Zwar hatten sie vorher über eine Stunde den Tempel beobachtet, ohne dass einer der Jünger Tezcatlipocas oder eine sonstige Figur auf den Plan getreten war, aber sie hatten keinerlei Garantie dafür, dass es immer so ruhig bleiben würde. Dennoch hatten sie keine andere Wahl.
    Sie hatten beschlossen, dass Nicole in der Felsmulde zurückbleiben sollte. Die Aufgabe der Frau war es, sofort Alarm zu schlagen, wenn sich Unvorhergesehenes in ihrem Rücken tat. So gesichert liefen der Professor und Bill Fleming los, den Weg zurück, den sie vorhin gekommen waren.
    Ohne Zwischenfall erreichten sie die Tempelmauer, abgesehen davon, dass sich Bill an einem scharfkantigen Stein den großen Zeh des rechten Fußes aufgeschlagen hatte.
    Zamorra hatte sich die Stelle, an der die Männer in der Wand verschwunden waren, ganz genau gemerkt. Auch der Punkt, den der eine der beiden Priester berührt hatte, um das Wandsegment zurückschwingen zu lassen, war in seinem Gedächtnis geblieben.
    »Also, Bill!«, sagte er. »Die Marschroute ist klar. Ich stürme hinein und versuche, die Kerle unschädlich zu machen. Du bleibst im Hintergrund und deckst mich. Noch Fragen?«
    Der Amerikaner machte ein bedenkliches Gesicht. »Ich weiß noch immer nicht so recht«, meinte er. »Zwei gegen einen, das gefällt mir nicht. Warum nimmst du nicht den einen und ich den anderen? Das wäre doch viel einfacher.«
    Der Professor schüttelte den Kopf. »Eben nicht! Du vergisst, dass wir es hier nicht mit gewöhnlichen Menschen zu tun haben. Die beiden sind mit bösen Mächten im Bunde. Ihnen stehen Mittel zur Verfügung, gegen die ein Normalsterblicher wie du machtlos ist. Ich rechne mir nur deshalb eine Chance aus, weil ich das hier habe.«
    Mit diesen Worten griff er an seine Brust und umschloss das Amulett mit der rechten Hand. Er nahm das Medaillon ab und hielt es wie einen Schlagring.
    »Gestern im Hotel hat sich diese Methode bestens bewährt. Warum nicht auch hier?«
    Achselzuckend gab sich Bill Fleming zufrieden.
    »Du bist der Boss!«, sagte er.
    »Also dann auf in den Kampf!«
    Zamorra legte die freie Hand auf die bewusste Mauerstelle und drückte.
    Die Wand öffnete sich auf Anhieb. Mit großer Anstrengung verbreiterte der Professor den Spalt so weit, dass er ins Innere schlüpfen konnte. Dann war er drin. Sprungbereit blieb er am Eingang stehen, um sich zu orientieren.
    Die Szene hätte jedem Horrorfilm zur Ehre gereicht, einem, der das sadistische Element in den Vordergrund stellte.
    Es waren wirklich nur zwei der Jünger des Schrecklichen anwesend. Die stillen Befürchtungen, noch andere vorzufinden, die sich bereits vorher in dem Raum aufgehalten hatten, bewahrheiteten sich Gott sei Dank nicht.
    Die Jaguarmänner waren so in ihre Tätigkeit vertieft, dass sie sich nicht einmal umwandten, als sich das Eingangssegment quietschend bewegte. Vielleicht nahmen sie auch nur an, dass einer ihrer Spießgesellen erschienen war.

Weitere Kostenlose Bücher