0068 - Todeswalzer
nicht gern? Bei Sheila war es obendrein auch noch die Wahrheit. »Und mit deinen Kochkünsten hast du dich wieder einmal selbst übertroffen.«
»Es geschah nicht ohne Hintergedanken«, erwiderte Sheila lächelnd. »Du solltest nur mal wieder sehen, daß es dem Ehemann Bill nicht schlechter geht als dem Junggesellen John.«
»Es geht ihm sogar besser als mir«, sagte ich überzeugt, obwohl ich wußte, daß Bill manchmal ein wenig seiner Junggesellenzeit nachtrauerte.
Nicht, daß er mit Sheila nicht glücklich gewesen wäre. Das war er bei Gott nicht. Bill vermißte nur das abenteuerliche Leben, das wir zusammen vor seiner Ehe geführt hatten.
Damit war es im großen und ganzen nun vorbei.
Sheila wollte nicht, daß er an meiner Seite weiterhin Kopf und Kragen riskierte. Ich konnte das verstehen. Und Bill respektierte die Meinung seiner hübschen Frau zumeist.
Nur ganz selten wurde er rückfällig. Ein Kater kann das Mausen eben doch niemals ganz lassen.
»Darf ich noch einen Blick auf den Jungen werfen, bevor ich gehe?« fragte ich.
»Selbstverständlich«, sagte Sheila.
Sie begleitete mich hinauf und öffnete behutsam die Tür des Kinderzimmers. John – die Conollys hatten ihn nach mir getauft – schlief tief und fest.
Seine kleinen Arme waren um das Plüschtier geschlungen, als wollte er sich nie mehr davon trennen.
»Wie ein Engel sieht er aus«, sagte ich leise.
Sheila seufzte. »Manchmal kann der Engel aber auch ein Bengel sein.«
»Hör mal, er ist ein Junge und kein Mädchen. Jungen müssen…«
Sheila winkte ab. »Du wirst immer eine Entschuldigung haben, John. Für alles, was der Kleine anstellt.«
Ich hob die Schultern. »Tja. Ich kann eben nicht anders.«
Sheila schloß die Tür.
Ich verließ das Haus meiner Freunde.
Wenn sich der Wille des Bösen erfüllen sollte, würde ich Sheila, Bill und Klein-John nie mehr wiedersehen.
Doch als ich mich in meinen silbermetallicfarbenen Bentley setzte, hatte ich noch keinen blassen Schimmer von den neuen Intrigen, die der Schwarze Tod, mein Supergegner, gegen mich in die Wege geleitet hatte…
***
Chris Rhodes saß mit glasigen Augen im Sessel. Er starrte die gegenüberliegende Wand an. Fassungslos und ungläubig war er.
Was war das vorhin gewesen? Ein Traum? Wirklichkeit? Das Hirngespinst eines Süchtigen?
Er hatte höllischen Besuch gehabt. Vom Schwarzen Tod, der sich die rechte Hand des Teufels genannt hatte.
Sie hatten einen Pakt geschlossen. In Wirklichkeit oder nur im Traum? Der Schwarze Tod hatte versprochen, aus ihm, Rhodes, ein Genie zu machen, wie es auf der Welt noch nicht eines gegeben hatte.
Hatte Rhodes’ Wunschtraum auf diese Weise Gestalt angenommen? Der magere Maler wagte nicht zu hoffen, daß alle seine Wünsche in Erfüllung gehen würden.
Er hatte Angst vor einer neuerlichen Enttäuschung.
Chris Rhodes horchte in sich hinein. Seit Jahren hatte er sich nicht mehr so gut gefühlt. War das Rauschgift daran schuld?
Er erhob sich, fühlte sich voller Spannkraft und Vitalität. Er glaubte, Bäume ausreißen zu können.
Er war von einem unbändigen Tatendrang beseelt. So etwas hatte er schon lange nicht mehr verspürt. Eine neue, noch nie dagewesene Schaffenskraft durchpulste ihn.
Es drängte ihn an die Staffelei. Er spürte den unbändigen Drang in sich, etwas Großartiges zu schaffen.
Rhodes eilte aus dem Zimmer.
Er schlüpfte in seinen von Farbklecksen übersäten Malerkittel, stellte eine gerahmte Leinwand auf die Staffelei und begann wie besessen zu malen.
Er merkte sofort, daß er wesentlich empfindsamer als sonst arbeitete. Er mischte die Farben auf eine Weise, wie er es nie zuvor getan hatte. Er hatte plötzlich ein ungeheures Einfühlungsvermögen in sein Werk.
Noch nie hatte er bei der Arbeit so viel empfunden. Und der Pinsel tanzte fast von selbst über die Leinwand. Jeder Strich saß besser als je zuvor. Eine wahrhaftige Genialität erfüllte den Künstler.
Sein Herz trommelte aufgeregt gegen die Rippen.
Geschafft!
Er hatte es endlich geschafft. Bald würde sein Name in aller Munde sein.
Ganz England würde von ihm sprechen.
Man würde ihm seine Bilder aus den Händen reißen. Er würde Irrsinnssummen dafür verlangen können, und man würde diese Summen bezahlen.
Jetset. Reisen. Wohlstand und Reichtum. Alles das würde nun auf ihn zukommen. Schöne Frauen würden ihn anhimmeln und ihm nachlaufen. Er würde aus den Schönsten der Schönen wählen können.
Ein Traum war Wirklichkeit
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