0068 - Wir holten sie vom Schiff

Sie konnten den Kopf nicht heben, denn sie lagen unter starkem Beschuss. Ich sah mehrmals sogar die Garben einer Tommy Gun zu ihnen hinüberspritzen.
    »Kommen Sie, Cennegan!«, rief ich.
    ***
    Die Brücke lag völlig verlassen. Nur hinter dem Ruder, das gleichzeitig auch der Maschinentelegraf war, stand ein Matrose, der sich die ganze Zeit nicht um uns gekümmert hatte. Freilich konnte er seinen Platz auch nicht verlassen, wenn er das Schiff im Hafengewimmel nicht in höchste Gefahr bringen wollte. Später stellte sich allerdings auch noch heraus, dass der Mann außer den üblichen Befehlen kein Wort Englisch verstand.
    Wir sprangen eine steile Treppe hinab auf das B-Deck. Hinter einer schanzenartigen Verkleidung kniete der Kapitän mit einer Tommy Gun.
    »Gebt es auf!«, hörte ich gerade Highs Stimme von unten her heraufhallen.
    »Wir sind Federal Officer! Streckt die Waffen!«
    Der Kapitän peilte über die Schanzenverkleidung und riss seine Tommy Gun hoch. Meine Kugel war schneller als der Finger an seinem Abzug. Er stieß einen gellenden Schrei aus. Wie von einer unsichtbaren Gewalt wurde sein Körper emporgerissen, die Tommy Gun polterte zu Boden, der Gangsterkapitän ging nach.
    Cennegan und ich waren fast gleichzeitig bei ihm. Ein Blick überzeugte uns davon, dass der Kerl nicht lebensgefährlich verwundet war. Cennegan nahm die Tommy Gun.
    »Sie links, ich rechts!«, rief ich ihm zu.
    »Okay«, brüllte er.
    Wir stürzten auseinander. Ich sprang eine zweite Treppe hinab. Als ich um eine Ecke der Aufbauten lief, kamen mir zwei bärtige Gestalten mit Karabinern entgegen.
    »Stopp!«, fuhr ich sie an.
    Der eine holte mit dem Karabiner aus. Ich knallte ihm den Knauf meiner Pistole auf den Schädel. Er ging wortlos zu Boden. Der zweite wollte die Treppe hinauf. Ich hechtete ihm nach und bekam sein Knöchel in meine Hände. Wir polterten zusammen die Treppe wieder herunter.
    Ich setzte ihm einen Schlag mit der Handkante seitlich an den Hals. Er streckte sich und rührte sich vorerst nicht mehr. Drüben von der anderen Seite her kam das Rattern von Cennegans Tommy Gun.
    »Jerry?«, rief Mister Highs Stimme.
    »Bin im Anmarsch, Chef! Vorsicht, Kollegen! Lieutenant Cennegan von der CP ist mit von der Partie! Er hat eine Tommy Gun! Schießt nicht auf den Verkehrten!«
    »Okay, Jerry! Verstanden!«
    Ich sah mich um. Hinter einem großen Entlüftungsrohr legte gerade einer auf mich an. Ich ließ mich fallen und riss meine Kanone hoch. Statt eines Schusses gab es nur ein metallisches Klack. Leergeschossen.
    Mit einer Seitenrolle brachte ich mich um eine Ecke in Deckung. Ein Druck ließ das leere Magazin herausschnellen. Ein zweiter Druck brachte das Reservemagazin hinein. Eine dritte hastige Bewegung, und die erste Patrone des neuen Magazins rutschte in den Lauf.
    Ich sprang auf und wollte um die Ecke. Ich stieß mit voller Wucht auf den Kerl, der hinter dem Lüftungsrohr auf mich angelegt hatte. Der Zusammenprall brachte uns beide zum Sturz.
    Er war einen Sekundenbruchteil schneller als ich und umklammerte meinen Hals. Ich ließ die Pistole los, schob beide Ellenbogen zwischen seine Arme und sprengte mit einer gewaltigen Kraftanstrengung seine mörderische Umklammerung.
    Ich setzte sofort nach und konnte nun einen Uppercut landen, der ihn ein Stück zurückwarf. Er schüttelte den Kopf und brauchte zwei Sekunden, um wieder zu Verstand zu kommen. Diese kurze Zeit genügte für mich. Ich war über ihm wie ein Ungewitter. Eine Serie von kurzen, trockenen Schlägen schickte ihn auf die Bretter.
    Ich suchte meine Pistole, fand sie, jagte die letzte Treppe zum Vorderdeck hinab und schoss im Laufen einem Gegner in die Schulter, der mich am Fuß der Treppe mit angelegtem Karabiner erwartete.
    Er ließ seinen Karabiner los und lehnte sich blass gegen die Wand. Im selben Augenblick tauchte High auf. Er hielt eine rauchende Pistole in der Hand. Er war mit den beiden Kollegen vom Hubschrauber her zum Gegenangriff vorgegangen, als er merkte, dass wir seinen Gegnern in den Rücken fielen.
    Nach ein paar Minuten beherrschten wir die Situation. Wir ließen die Waffen abliefern, die Verwundeten auf dem Vorderdeck einsammeln und den Kurs des Schiffes ändern. Noch während wir damit beschäftigt waren, rasten fünf Boote der Hafenpolizei auf uns zu.
    Wir ließen ein paar Mann zu unserer Verstärkung an Bord kommen und schickten dann die Boote wieder nach Hause.
    Der Kapitän war vom Bordarzt notdürftig verbunden worden. Er protestierte