0069 - Der unheimliche Bogenschütze
aufgeklungen.
Ich drehte den Kopf ein wenig nach links, denn aus dieser Richtung hatte ich das hämische Geräusch gehört. Dort stand die Eiserne Jungfrau. Zwischen ihr und der Wand nistete die Dunkelheit.
Lauerte dort mein Freund?
Ja, er kam.
Die Umrisse eines Körpers schälten sich aus der Schwärze, und dann schlich Roman Willard auf mich zu. Als ihn der Fackelschein streifte, sah ich sein verzerrtes Gesicht, und ich bemerkte den nackten Irrsinn in seinen Augen. Willard hatte die Zähne entblößt. Die Lippen zeigten ein gemeines Grinsen.
Die Maschinenpistole hatte er sich über die Brust gehängt. Was er in der Hand hielt, war meine Beretta.
Die Mündung wies auf meinen Kopf!
Einen Schritt vor mir blieb er stehen. Sein Finger lag um den Abzug. Er brauchte das Glied nur zu krümmen, und die todbringende Kugel verließ den Lauf.
Nahezu schmerzhaft zog sich mein Magen zusammen. Wehrlos hing ich in den Ketten, und vor mir stand mein Todfeind.
»Ja, Bulle, da staunst du, was?« hechelte er.
Ich blickte ihn an. »Was haben Sie mit mir vor?«
Er lachte. »Kannst du dir das wirklich nicht denken?«
»Sie wollen einen Polizisten umbringen?« fragte ich ihn.
»Nein, ich nicht, das erledigt mein Freund William Hunter, den ich auch erweckt habe.«
»Dann sind Sie der Initiator?« fragte ich ihn.
»Genau. Ich wollte nicht, daß hier eine Straße gebaut wurde. Mein Leben lang habe ich hier auf der Burg verbracht, und jetzt sollte alles zerstört werden? Niemals, sagte ich mir, und ich hatte Glück, daß ich eine alte Schrift fand, die sich mit Schwarzer Magie beschäftigte und mit der Auferweckung des Bogenschützen. Ich habe es geschafft. Er wird alle töten, die sich ihm und mir in den Weg stellen.«
Das waren große Worte, doch ich hatte keinen Grund, daran zu zweifeln. Den Beweis hatte der Bogenschütze bereits angetreten.
»Okay«, sagte ich, »gesetzt den Fall, Sie töten mich. Glauben Sie, daß Sie dem Gesetz entgehen können?«
»Was ist schon das Gesetz?« Mit der freien Hand winkte er ab. »Ich bin das Gesetz, wenigstens auf diesem Schloß. Hier geschieht nur das, was ich sage. Und wenn ich deinen Tod befehle, Bulle, dann wirst du umgelegt, da geht kein Weg dran vorbei!«
Warum sollte ich ihm nicht glauben? Ich brauchte nur in seine Augen zu sehen, um zu wissen, was los war.
»Wann kommt denn Ihr Bogenschütze?« fragte ich und gab meiner Stimme einen lässigen Unterton.
»Er hat noch zu tun. Schließlich warten genügend andere auf ihn.«
Mir stockte der Atem. Klar, diese Bestie würde keine Rücksicht auf Frauen nehmen.
Und auf Kinder?
Ich dachte an den kleinen Johnny, und plötzlich trieb es mir den Schweiß aus allen Poren.
Der Kerl erriet meine Gedanken. »Ja, Bulle, für deine Freunde sieht es schlecht aus. Ihr hättet zu Hause bleiben sollen, das wäre besser gewesen. Für euch.«
Er redete noch weiter. Er brauchte das einfach, um sein Triumphgefühl zu genießen.
Ich ließ ihn reden, denn wer redet, mordet nicht. Und ich hoffte auf eine Unvorsichtigkeit, aber den Gefallen tat er mir leider nicht.
»Haben Sie mich hier angekettet?« fragte ich ihn, als er zwischendurch Luft holte.
»Ja, das habe ich getan. Und ich persönlich habe auch die Ringe verstärkt. Beton hält ausgezeichnet, Bulle.«
Das wollte ich nur hören, denn nach dieser Antwort war ich sicher, daß er auch einen Schlüssel besaß.
Den Schlüssel zu meinen Handschellen.
Aber wie sollte ich den Kerl überwältigen?
Die Arme waren gefesselt, nur meine Beine waren frei. Aber auch Beine konnten zur Waffe werden.
Ich reizte ihn jetzt. »Warum schießen Sie nicht?« fragte ich. »Warum legen Sie mich nicht um? Sie sind zu feige, deshalb. Sie bringen es nicht über sich, den Finger zu krümmen, denn Sie würden sich vor Ihrer eigenen Tat erschrecken. Zum Mörder muß man geboren sein, das kann man nicht von heute auf morgen werden. Sie werfen Ihre Hemmungen nicht einfach über Bord. Sie nicht, Willard!«
Er wurde bleich. Das sah ich trotz des Fackelscheins, der durch das Gewölbe geisterte.
Stöhnend saugte er die Luft ein. »Noch ein Wort, Bulle, und ich tu’s jetzt. Auf der Stelle.«
»Bitte!«
Ich reizte ziemlich hoch. Das Spiel stand auf des Messers Schneide. Ich konnte ebensogut als zweiter Sieger daraus hervorgehen. Zusätzlich besaß der Verwalter noch die Maschinenpistole. Wenn er die nahm, war ich sowieso verloren.
Aber die hing über seiner Schulter, und es war umständlich, sie abzunehmen.
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