007 - Das Grauen von Blackwood Castle
zweites Hobby. Die Malerei.«
Flink war Dave einen Schritt eher als sie an der verhangenen Staffelei.
»Die Malerei als Hobby, ja, Miss Martens – aber ein Hobby, das das andere
einschließt«, erklärte er.
Er stand vor der Staffelei, in die eine Leinwand eingespannt war, die fast
zwei Meter groß war und den Boden berührte.
»Sie malen – Ihre Insekten? Interessant! Darf ich mal sehen?«
Dave Wellington zuckte die Achseln. »Wenn Sie unbedingt wollen? Aber ich habe
geglaubt, Sie finden diese Tiere widerlich. Sie ekeln und gruseln sich vor
ihnen, nicht wahr?«
»Ein Bild hat mich bis zur Stunde noch nicht erschreckt«, erwiderte sie. Er
zog den Vorhang herunter, und das Blut gerann in ihren Adern. Die Leinwand
zeigte eine zwei Meter lange Raupe – mannsstark.
Deutlich waren die tiefen Furchen auf dem schleimigen Körper zu erkennen,
die riesigen Augen, das Maul, die Fresswerkzeuge. Das Ganze war so schaurig und
so lebensecht dargestellt, dass Sheila das Gefühl hatte, dieses Ungeheuer
hockte unmittelbar vor ihr.
Sie trat einen Schritt zurück und starrte auf Dave Wellington. Furcht
ergriff sie. Dieser Mann war nicht normal!
»Das ist ja fürchterlich!«
»Finden Sie?«, fragte Wellington leise. »Ein herrliches Modell, nicht wahr?«
»Eines ist in der Tat erstaunlich ...«, meinte die Journalistin. »Es ist
gewiss schwer, einen kleinen Gegenstand auf eine solche Größe zu bringen«
»Ja, ja«, sagte er nur, und er schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu
sein. »Das ist Laura, mein Lieblingsexemplar.« Laura? Warum bezeichnete er
diese Raupe ausgerechnet mit einem weiblichen Namen?
Er zog das Tuch wieder vor die Staffelei, und das Scheusal verschwand aus
Sheilas Blickfeld.
»Der Regen wird schon wieder schwächer«, bemerkte sie trocken.
»Ich bringe sie gleich in Ihr Zimmer. Ich ziehe mich nur rasch um«, sagte
er und ging zur Tür. An der Schwelle drehte er sich noch einmal um. »Trinken
Sie einstweilen Ihren Whisky. Nicht, dass Sie mir nachher umkippen, wenn Sie
mir die Badewanne zeigen.«
Die Tür schloss er hinter sich ab und ließ eine verblüffte Sheila stehen.
Sein Verhalten überraschte sie immer wieder. Einmal sympathisch,
verführerisch, charmant – ein andermal rätselhaft, unheimlich – wer war er
wirklich? Sie musste sich eingestehen, dass er einer der interessantesten
Menschen war, die sie jemals kennengelernt hatte.
Langsam nahm sie noch einen Schluck Whisky, ging zum Fenster und goss den
Rest aus dem Glas hinab in den dunklen, regenwasserüberfluteten Hof.
Der Whisky war ihr zu stark.
Als Dave Wellington zurückkam, trug er eine dunkelblaue Hose und einen
hellblauen Sportpullover mit Rollkragen. »Wir können gehen«, sagte er fröhlich.
Er begleitete seine hübsche Besucherin nach unten, und wenig später wanderten
sie den regennassen Weg zu den Bungalows zurück – unterhielten sich dabei
angeregt, Dave Wellington konnte offenbar ein recht charmanter Unterhalter
sein, wenn es darauf ankam.
Sie erreichten die Bungalows und betraten über die Terrasse das Zimmer.
Obwohl es während der letzten Minuten nicht mehr geregnet hatte, war Sheila
nass bis auf die Haut. Auch Dave Wellington klebte der Pullover am Körper. Sie
mussten unter den regenschweren Wipfeln der Bäume gehen, die das Wasser auf sie
herabließen.
Wortlos ging er zur Badezimmertür und stieß sie auf.
Sie erwartete eine Reaktion. Doch die trat nicht ein. Rasch eilte sie neben
Dave Wellington. Ihr Herz überschlug sich.
Die Wanne war – leer.
»Das kann doch nicht wahr sein!«
»Eine Halluzination, Miss Martens«, sagte Dave Wellington leise. »Ich habe mir
schon so etwas Ähnliches gedacht.«
»Halluzination?«
»Sie haben heute so viel über Raupen gehört, haben welche gesehen, darüber
gesprochen – und dann dürfen Sie nicht vergessen, dass es Lebewesen sind, die
Sie nicht mögen. Ihr Unterbewusstsein hat Ihnen ein Bild vermittelt, das Sie
entsetzte – eine Wanne voller Raupen, vielleicht haben Sie einmal flüchtig
darüber nachgedacht, wie das wohl sein würde. Sie hatten die Vorstellung davon,
unbewusst natürlich, ganz unbewusst – und dann haben Sie in der Tat welche
gesehen.« Seine Stimme kam ihr sehr merkwürdig vor.
Sheila Martens fielen fast die Augen zu. Sie musste sich am Türpfosten
halten. »Ich weiß, was ich gesehen habe«, sagte sie mit erstaunlich fester
Stimme. Ihr entging nicht, dass Dave sie aus den Augenwinkeln aufmerksam
musterte.
»Sie sollten sich vielleicht
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