0072 - Die Ruine des Hexers
daß ich, wenn ich es richtig anfange, kraft dieser Restenergie eine Zeitreise ins Jahr 1776 machen kann. In die Zeit, in der alles seinen Ursprung nahm.«
Nicole staunte. Aber sie zweifelte nicht an Zamorras Worten.
***
Am nächsten Tag, einem strahlenden Maimorgen, parkte Zamorra seinen Citroën unterhalb des Weinberges, in dem Nadine Suchard ums Leben gekommen war. Der Professor hatte sein Versprechen wahrgemacht und einen ihm bekannten guten Strafverteidiger wegen des alten François Dissot angerufen.
Er war an einen Kollegen seines Bekannten in Nantes verwiesen worden, und der übernahm den Fall. Er zeigte sich sehr zuversichtlich und meinte, aufgrund der Widersprüche in diesem Ermittlungsverfahren habe er Dissot bald aus der Untersuchungshaft befreit.
Schließlich gab es keine Tatwaffe, kein ersichtliches Mordmotiv.
Und – was die Hauptsache war – Dissots Kleidung wies keinerlei Blutspritzer auf, was unbedingt hätte der Fall sein müssen, wäre er der Mörder des Barons gewesen.
Zamorra wollte die Rechnung des Anwalts zahlen. Er brauchte sich sonst um nichts mehr zu kümmern, was Dissot betraf.
Wegen der Todesfälle hatte der Professor ein paar Theorien, behielt sie aber noch für sich. Er wollte erst einmal herausfinden, welche die wahrscheinlichste war.
Zamorra schätzte es nicht, Überlegungen zu zerreden. Er überprüfte sie lieber durch Nachforschungen und experimentell. Zamorra trug seine Reisetasche und ein kleines Set-Köfferchen bei sich, das nicht größer war als jenes, das Nicoles Schminksachen und Haar-Styling-Zubehör enthielt.
In dem Köfferchen befanden sich ein paar Mittel zur Dämonenbekämpfung und um Beschwörungen durchzuführen. Magische Kreide aus dem Fett bestimmter Tiere, zwei aus Silber gefertigte Drudenfüße, handtellergroß der eine, aufklapp- und zusammensteckbar der andere, ein Revolver mit Silbermunition und ein Silberdolch, der auch als Wurfmesser ausbalanciert war.
Eine Weihwasserampulle, ein geweihtes Kreuz und andere Dinge.
Es war Standardzubehör, um die Mächte der Finsternis und des Bösen zu bekämpfen. Das Köfferchen hatte einen festen Platz in Zamorras Wagen. Es enthielt keine Allzweck- oder Wundermittel, aber manchmal war es sehr nützlich.
Der Professor schloß den Wagen ab und ließ Nicole den Vortritt in den Weinberg. Ein Zaun umgab ihn, aber bei all dem Durcheinander am Vorabend hatte keiner die Pforte abgeschlossen.
Nicole stieg die schmale Steintreppe hoch. Ungleichmäßig und rauh waren die Fliesen. Zamorra bewunderte Nicoles Beine, obwohl er eigentlich andere Dinge im Kopf hatte. Zum wiederholten Mal sagte er sich, wie unerträglich öde sein Leben und der Kampf gegen die Dämonen und Wesen der Geisterwelt ohne die reizvolle Nicole gewesen wären.
Und natürlich war da auch noch Bill Fleming, der Sonnyboy mit der Ruhe und dem Gemüt eines Elefanten, der Zamorra als treuer Freund zur Seite stand. Zamorra gestattete sich einen kurzen Gedanken an Bill, der in den Staaten geschäftliche Dinge regelte.
Nicole blieb auf jener Hangterrasse stehen, auf der Nadine Suchard ums Leben gekommen war. Wieder fielen ihr und Zamorra die Stille auf. Die Lebewesen schienen zu spüren, daß es hier nicht mit rechten Dingen zuging.
Nicole hatte sich strikt geweigert, Zamorra die Zeitreise allein unternehmen zu lassen, und tausend Gründe dafür gefunden.
Er betrat nun die Gasse zwischen den Zeilen der Rebstöcke, ging bis an jenen Platz, wo die tote Nadine Suchard gelegen hatte. Es empörte Zamorra immer wieder, wie brutal und unmenschlich die Mächte des Bösen handelten.
Nadine Suchard hatte zwei Kinder, die sie brauchten, einen Mann, der ohne sie aufgeschmissen war, und jedes Recht zu leben. Ganz gleich, was sich vor rund zweihundert Jahren abgespielt hatte, sie war völlig unbeteiligt und unschuldig.
Aber sie hatte sterben müssen. Zamorra glaubte nicht, daß ihr Tod zufällig erfolgt war. Baron Armand de Gascoyne stammte in direkter Linie von dem Baron Robert de Gascoyne des 18. Jahrhunderts ab. Standesamtliche Aufzeichnungen gab es keine mehr. Aber Zamorra glaubte, daß es auch zwischen Nadine Suchard und den beiden Schwestern Lesanque verwandtschaftliche Bande gab.
Aber es war nicht einfach so, daß jetzt auch die Nachkommen nach acht Generationen sinnlos heimgesucht wurden. Da spielten andere, diffizilere Dinge mit. Zamorra glaubte, daß die Todesfälle im 18. Jahrhundert unmittelbar mit jenen in der Gegenwart zusammenhingen.
Sehr schlecht war,
Weitere Kostenlose Bücher