0073 - Die Insel der Zyklopen
des startenden Motors. »Dieser Alte, Nicolas meine ich, der weiß eine ganze Menge Sagen und phantastische Geschichten. Ich kann mich ganz genau erinnern, einmal spann er sein Seemannsgarn sogar um einen Zentaur! Möglich, daß er uns bei der Bekämpfung des Monsters weiterhelfen kann!« Ihm fiel es wie Schuppen von den Augen. »Daß ich nicht schon eher an Nicolas gedacht habe!«
Der Grieche setzte das Paddel ein, um das Boot ins tiefere Wasser zu manövrieren.
»Golas?« rief ihm Zamorra nach.
»Ja, Professor!«
»Geben Sie auf sich acht! Der Zentaur kann überall auf uns lauern!«
Anastasius Golas nickte verstehend.
Professor Zamorra blickte dem kleinen Boot noch lange nach, ehe er ins Haus zu den anderen zurückging.
***
Die Dämmerung war bereits hereingebrochen, als der Grieche die windschiefe Hütte, an der das heftige Erdbeben nicht spurlos vorbeigegangen war, wieder betrat. Hinter ihm schritt, wie ein Schatten, eine kleine, spindeldürre Gestalt. Als sie in den Schein der Petroleumlampe tauchte, konnte man einen uralten Mann in zerschlissenen, schäbigen Kleidern erkennen.
»Das ist Nicolas, der Fischer!« sagte Golas und wies mit einer knappen Handbewegung auf den Alten. »Die anderen sind leider nicht mit mir gekommen, aber die Furcht vor dem Unheimlichen hat sie bereits ergriffen. Sie zweifelten keine Sekunde lang an der Existenz des Pferdemenschen. Sie lassen es sich aber nicht einreden, daß Gewehrkugeln und Messer bei dem Untier keine Wirkung haben. Jedenfalls haben sie ihr Haus verrammelt, das sie um alles in der Welt verteidigen wollen!« fuhr er fort, während er dem Fischer einen Stuhl zuschob.
Ächzend ließ sich Nicolas nieder.
Professor Zamorra ließ einen prüfenden Blick über seine Gestalt gleiten. Der Fischer mochte an die siebzig Jahre alt sein, es war aber nicht ausgeschlossen, daß er jünger, oder auch älter war. Sein verwahrloster Eindruck ließ ihn vielleicht älter erscheinen als er war.
Weiße Bartstoppeln wucherten wild in dem gebräunten, faltigen Gesicht. Ein gezwirbelter Oberlippenbart barg noch die Speisereste der letzten Mahlzeiten. Die typisch griechische, geschwungene Hakennase stand kühn von dem knochigen Gesicht ab, in dem die Wangenknochen besonders stark ausgeprägt waren. Die tief in den Höhlen liegenden Augen maßen die Anwesenden sorgfältig. Ein stechender Blick durchbohrte den Parapsychologen. Der Fischer murmelte irgend etwas auf griechisch, das keiner verstehen konnte, nicht einmal Golas. Dieser machte ihm in seiner Muttersprache klar, daß er einem berühmten »Zauberer« gegenübersitze, der gekommen war, um den Spuk des Zentaurs zu beenden. In den folgenden Minuten erfüllte Golas die Tätigkeit eines Dolmetschers zwischen Zamorra und Nicolas.
Während der Fischer zu reden begann, versuchte der Parapsychologe im Gesicht seines Gegenübers zu lesen.
Obwohl er nur einige, wenige Sätze verstehen konnte, war deutlich am Klang der brüchigen Stimme zu erkennen, daß der Alte mit jedem Satz, den er sprach, immer erregter wurde. Schließlich begann sich seine Stimme zu überschlagen, wurde eindringender, beschwörender.
Nicolas’ Blick flackerte, helle Funken tanzten in den Pupillen. Er faltete die schmutzigen, derben Hände und sah Professor Zamorra flehend an, so, als wäre er die einzige Rettung vor dem sicheren Tod!
Als sich Golas zu Zamorra umwandte, war er aschgrau im Gesicht. Plötzlich war es totenstill in dem kärglich eingerichteten Raum.
Fünf Augenpaare hefteten sich auf die Lippen des Griechen, der die Worte des Fischers zu übersetzen begann. Langsam und stockend…
»Er sagt, daß es nur eine Möglichkeit gibt, den Zentaur zu vernichten!« Golas hielt inne, um mit der Zunge die trockenen Lippen zu befeuchten. »Der Pferdemensch kann nur von Polyphemus endgültig und für immer vernichtet werden! Von Polyphemus, dem Zyklop!«
»Polyphemus?« echote Zamorra.
Nicolas begann wieder eindringlich auf Golas einzureden, aber dieser gebot ihm mit einer knappen Handbewegung zu schweigen, da er selbst erst Zamorra und den anderen Näheres von dem, was er gerade von dem Alten erfahren hatte, übersetzen mußte.
»Ja, Sie haben richtig gehört! Ein Zyklop, Polyphemus, er ist der einzige, der den Zentaur endgültig unschädlich machen kann. Nicolas sagt, daß es in einer uralten Sage geschrieben steht, daß einst, durch ein Erdbeben erweckt, der von Polyphemus verfluchte Geist des Zentaurs wieder zum Leben erwachen würde, und daß nur der
Weitere Kostenlose Bücher