0073 - Gegen eine ganze Stadt
Phil in den Stuhl. Er hatte doch noch jedes Mal an meinem Krankenbett gesessen! Warum nicht jetzt?
»Wo ist Phil?«, krächzte ich, denn meine Kehle war wieder sehr trocken.
Der Sheriff machte eine Kopfbewegung nach meiner rechten Seite. Aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich hatte nicht genug Willenskraft, auch nur meinen Kopf zu drehen.
»Ihr Freund schläft«, sagte Holder leise. »Machen Sie sich keine Sorgen. Kann ich sonst irgendetwas für Sie tun?«
So! Phil schlief also. Der gute Kerl. Nun, dann war ja alles in Ordnung. Vielleicht löste er sich mit dem Sheriff ab bei meiner Krankenwache. Was wollte Holder noch? Ach ja, richtig. Ob er etwas für mich tun könnte.
»Bitte«, stieß ich mit ungelenker Zunge hervor. »Ich habe Durst…«
Holder sprang sofort auf.
Er plätscherte irgendwo hinter meinem Kopf mit Wasser, dann setzte er mir ein Glas an die Lippen.
Wieder lief mir der kühle Fruchtsaft angenehm über die ausgetrocknete Zunge. Ich schluckte krampfhaft und verbiss die Schmerzen dabei. Ein paar Minuten später wurde ich wieder müde und schlief abermals ein.
***
Als ich zum dritten Mal erwachte, saßen Holder und der Doc neben meinem Bett.
»Hallo, Cotton«, grinste der Doc. »Sie haben ja eine Bärennatur. Ihr Freund allerdings auch. Haben Sie Hunger? Sie müssten etwas essen. Ein Körper, der gesund werden soll, muss Kräfte zugeführt bekommen! Wie wär’s mit einer schönen Fleischbrühe?«
O ja, der Doc hatte recht. Ich verspürte einen Mordshunger. Ganz schwach nickte ich.
Sie fütterten mich ab wie ein Baby. Als ich anderthalbe Tassen Fleischbrühe geschluckt hatte, spürte ich das Verlangen nach einer Zigarette, das jeden starken Raucher packt, wenn er lange kein Nikotin mehr geatmet hat.
»Zigarette«, murmelte ich.
Holder steckte eine an und schob sie mir zwischen die Lippen.
Der erste tiefe Zug stieg mir in den Kopf und erzeugte ein Gefühl, als ob ich schwebte. Bei den nächsten Zügen kehrte langsam mein normales Befinden wieder zurück.
Als ich die Zigarette fast zu Ende geraucht hatte, war ich wieder völlig klar.
Ich versuchte meine erste Bewegung, indem ich mir die Zigarette aus dem Mund nahm. Noch schmerzten alle Muskeln und Glieder, aber es freute mich, dass meine Willenskraft zurückgekehrt war und ich meinen Körper wieder in der Gewalt hatte.
Mit zusammengepressten Lippen drückte ich die Zigarette in den Aschenbecher, den mir Holder hinhielt.
Als diese mühsame Arbeit getan war, ließ ich meinen Arm zurück aufs Bett fallen und sagte: »Okay. Ich bin wieder da. Was ist mit Phil?«
Der Doc deutete neben sich. Ich drehte den Kopf. Zwei Schritte rechts von mir stand ein zweites Bett. Darin lag Phil.
Er hatte einen dicken Verband um den Schädel und war bis ans Kinn mit einer leichten Wolldecke zugedeckt.
Von seinem Gesicht war nicht viel zu sehen, aber das wenige, was man sah, grinste deutlich.
»Mach dir keine Sorgen um mich, Jerry«, sagte er mit einer Stimme, die noch nicht ganz fest war. »Ich bin bald wieder topfit.«
»Fein«, brummte ich. »Aber was ist eigentlich los? Wieso liegen wir überhaupt hier in diesen Betten?«
Holder stand auf. Er warf einen fragenden Blick zu dem Arzt, dann erzählte er: »Sie wollten sich in der Highschool umsehen, erinnern Sie sich? Wir kamen von Lieutenant Blackpool, wissen Sie noch?«
Ich grinste.
»Ja, sicher. Der Mann mit der Reitpeitsche. Trägt er auch Sporen an seinen Stiefeln, Sheriff?«
Holder grinste zurück.
»Bei dem wäre es möglich. Es würde mich nicht wundern.«
»Wir fuhren zu der Schule«, sinnierte ich. »Da war eine Menschenmenge. Sie brüllten immerzu etwas im Sprechchor. Was war es doch? - Richtig. Jetzt weiß ich es wieder. ›Aufhängen!‹ brüllten sie…«
Ich richtete mich jäh auf. Ein glühender Schmerz schoss mir wie ein starker Stromstoß durch den Körper.
Ich verzerrte mein Gesicht, aber ich kam doch nicht von dem Gedanken los, der mich plötzlich vollkommen beherrschte.
»Ich drängte mich durch die Menge… Himmel, Doc, lassen Sie mich jetzt in Ruhe! Ich bin völlig fit, wenn ich es Ihnen doch sage… Phil schickte ich zurück, er sollte Sie anrufen, Sheriff, und den Reitpeitschen-Polizisten. Warum liegt er jetzt neben mir?«
Phil erklärte es mir selbst. Auch seine Worte kamen heiser und mühsam.
»Ich kam nicht durch. Die Menge drängte nach vorn, ich wollte nach hinten. War völlig unmöglich. Ich drohte mit meiner Pistole. Die Nächststehenden bekamen es vielleicht mit
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