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0073 - Gegen eine ganze Stadt

0073 - Gegen eine ganze Stadt

Titel: 0073 - Gegen eine ganze Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gegen eine ganze Stadt
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der Angst, aber die, die hinter den anderen standen, sahen meine Pistole nicht und drückten weiter nach vorn. Ich sah mich nach dir um. Da stürzten sie sich gerade über dich her. Na, du kannst dir vorstellen, dass ich ungemütlich wurde. Ich wollte mir meinen Weg freiboxen. Und ich habe einige auf die Bretter geschickt, das kannst du mir glauben. Rings um mich wurde allerhand Platz, nachdem sich die Nächststehenden zu sehr in meine Fäuste verguckt hatten. Aber es waren so verdammt viele. Wenn ich einen vom Hals hatte, waren drei andere da.«
    Er machte Pause. Der Sheriff setzte meinem Freund ein Glas mit Fruchtwasser an die Lippen. Als Phil getrunken hatte, redete er weiter.
    »Sie machten mich genauso fertig wie dich, Jerry. Aber ich glaube, deswegen brauchen wir uns nicht zu schämen. Wir waren zwei gegen eine wild gewordene Menge von ungefähr zweitausend. Wir hätten selbst mit Maschinenpistolen nichts ausrichten können, was natürlich nicht gegangen wäre. Ich meine nur, dass uns auch Tommy Guns nichts genutzt hätten.«
    Ich nickte.
    »Das ist mir jetzt auch klar. Gasmasken für uns und Tränengas für die Menge, das wäre das einzige, was uns hätte helfen können.«
    »Eben«, seufzte Phil. »In unserem lieblichen New York dürfen G-men nur zu zweit losgehen, wenn sie eine Sache verfolgen, die gefährlich werden könnte. Hier dürften sie nicht unter zwanzig anrücken. In New York gibt es Gangs massenweise. Die Gangsterbanden sind gar nicht zu zählen, weil sich immer wieder neue bilden, selbst wenn dauernd welche zerschlagen werden. Aber was ist das schon gegen hier? Hier gibt es nur eine einzige Bande, und die besteht aus neunzig Prozent der ganzen Stadteinwohnerschaft.«
    »Wir haben also in trauter Gemeinsamkeit eine gehörige Tracht Prügel bezogen«, überlegte ich. »Das war ja nicht das erste Mal, dass uns eine Übermacht durch die Mangel drehte.«
    »Seien Sie froh, dass Sie beide mit dem Leben davongekommen sind!«, knurrte der Sheriff. »Die Masse war ja so verrückt, dass Sie wirklich Glück hatten, weil Sie nicht totgetrampelt worden sind. Allerdings lohnt es sich der Mühe nicht. Als wir Sie fanden, saht ihr beide mehr als tot aus.«
    »Vielleicht hielt man uns für tot und ließ uns deshalb liegen.«
    »Genauso war es«, sagte Holder. »So und nichts anders. Die Menge war so von ihrem Blutrausch besessen, dass sie bestimmt nicht aus menschlichen Gefühlen darauf verzichtete, euch beide totzuschlagen.«
    Wir schwiegen einen Augenblick. Dann sagte ich: »Ich denke, ich könnte jetzt einen verdammt scharfen Schluck Whisky vertragen.«
    Holder hielt uns schon zwei Gläser hin. Phil und ich blickten einander einen Herzschlag lang stumm an, dann kippten wir das Zeug mit einem Schluck hinunter.
    Es brannte wie das leibhaftige Höllenfeuer. Aber es erhöhte unsere Lebensgeister.
    »Was ist eigentlich aus dem Jungen geworden?«, fragte ich leise.
    Der Doc räusperte sich. Er schien etwas in der Kehle zu haben.
    Holder klopfte sich einen unsichtbaren Fleck von der Jacke.
    »Ich habe ihn abgeschnitten«, sagte er. »Er baumelte von der Balkonbrüstung herab. Natürlich war es schon zu spät, obgleich ich ungefähr eine Viertelstunde nach euch bei der Schule ankam. Der alte Tom hatte mich alarmiert. Der Junge war tot, und die ganze Schule war wie ausgestorben. Kein Mensch war zu sehen. Dafür war in den Kneipen Hochbetrieb.«
    Ich schloss die Augen.
    »Lynchjustiz im Zwanzigsten Jahrhundert«, murmelte ich. »Ein Farbiger wird einfach aufgehängt. Warum eigentlich?«
    »Er hatte angeblich eine weiße Schülerin frech angesehen«, brüllte der Sheriff auf einmal. »Verdammt, was fragen Sie Idiot noch, warum’? Ich hab’s Ihnen am ersten Tag gesagt, dass die Stimmung kurz vor dem Überkochen ist! Fragen Sie nicht so blöd! Er wurde aufgehängt, weil er ein Neger war. Das und nichts anderes war der Grund.«
    ***
    Der Doc half mir beim Aufstehen.
    Ich ging in sein Wohnzimmer und telefonierte eine halbe Stunde lang mit Mr. High, dem New Yorker Distriktchef des FBI.
    Er war unser unmittelbarer Vorgesetzter, auch wenn wir im Auftrag Washingtons nach Little Hill gekommen waren.
    Der Sheriff hatte uns verlassen, weil er sich schließlich auch um seine amtlichen Obliegenheiten kümmern musste. Es war der Nachmittag des auf den Lynchmord folgenden Tages.
    Ich berichtete Mr. High genau, was sich bisher zugetragen hatte.
    »Können Sie unter diesen Umständen den Schutz der restlichen farbigen Bevölkerung

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