0073 - Gegen eine ganze Stadt
sie auf der Treppe ihre Vorbereitungen trafen.
Einer band etwas an ein Ende der Wäscheleine, damit es beschwert wurde. Dann warf er es in einem Bogen hoch. Der schwere Gegenstand fiel über die Brüstung des großen Balkons über dem Portal. Zwischen den Stäben der Balustrade fiel er wieder herab, sodass die Wäscheleine jetzt über das Geländer lief.
Sie knüpften eine Schlinge.
Der Neger konnte nicht mehr allein stehen. Sie hatten ihn untergehakt.
Er hing in ihren Armen - ein bewusstloses Bündel Mensch. Bereits halb tot vor Angst.
Ich biss mir auf die Unterlippe, dass sie blutete. Meine Fäuste teilten rücksichtslos aus.
Dass ich keinen niederschlug, lag nur daran, dass ich in dem dichten Gedränge überhaupt nicht ausholen konnte.
Da! Jetzt warfen sie ihm die Schlinge über den Kopf. Ein triumphierender Schrei im höchsten Diskant belohnte ihre Heldenleistung.
Einer prüfte mit teuflischwollüstiger Genauigkeit den Sitz des Knotens.
Dann packten vier Mann das freie Ende der Wäscheleine.
In dieser Sekunde war ich noch sechs Yards von den vordersten Gaffern entfernt.
Ich fuhr mit der Hand unter mein Jackett und riss die Dienstpistole heraus. Als ich sie entsichern wollte, blieb ich irgendwo am Jackett des Vordermannes hängen.
Wütend zerrte ich.
Ich riss ihm ein Dreieck in den Stoff seiner Jacke. Ich sah es nur aus den Augenwinkeln. Mein Daumen schob den Sicherungsflügel zurück. Mit dem ganzen Körper warf ich mich nach hinten und verschaffte mir dadurch so viel Luft, dass ich die Pistole hochreißen konnte.
Dröhnend entlud sich der Schuss, und die Kugel pfiff in den wolkenlosen Himmel.
Augenblicklich herrschte Totenstille.
Ich drängte mich weiter. Noch sechs Yards.
Sechs Schritte zwischen dem Tod des jungen Negers und seinem Leben. Sechs Schritte durch eine dicht gedrängte Menschenmenge.
Die Burschen an der Leine verhielten erschrocken. Ratlos hielten sie die erhobenen Arme am Seil, wagten aber nicht zu ziehen.
Der junge Neger lag auf der obersten Stufe. Sein Körper bebte wie im höchsten Fieber. Sie hatten ihn losgelassen, und er war sofort kraftlos zusammengesackt.
Durch die Totenstille gellte plötzlich von irgendwo aus der Menge ein gellender Pfiff.
Eine hohe Stimme schrie: »Weitermachen!«
»Aufhängen!«, brüllte eine andere.
Als hätte eine'Suggestion augenblicklich wieder Besitz von der Menge ergriffen, begann abermals das eintönige, rhythmisch gleichmäßige Gebrüll vom Aufhängen.
Und schon sah ich, wie die Burschen an der Leine ihre Muskeln strafften.
In diesem Augenblick hatte ich die unterste Stufe erreicht. Ich stieß den letzten, der mir nun noch im Weg war, mit einem gewaltigen Stoß beiseite. Dann jagte ich die Stufen hinauf !
»Auf hören!«, brüllte ich. »Seid ihr verrückt! Das ist glatter Mord! Aufhören!!!«
Sie hörten überhaupt nicht. Vier standen an der Leine, die anderen bildeten einen Halbkreis hinter ihnen und brüllten im Sprechchor: »Hau ruck! Hau ruck! Hau ruck!«
Sie zogen. Die Leine straffte sich.
Dann war ich bei ihnen.
Der erste krümmte sich, wie ein Taschenmesser einknickt, als ich ihm meine linke Faust in die Brustgrube setzte. Er stolperte und rollte rückwärts die Freitreppe hinab.
Der zweite überschlug sich wie in einer gelernten Jiu-Jitsu-Rolle, als ich ihm einen Uppercut auf die Kinnspitze setzte.
Da spürte ich die erste Hand im Genick. Jemand wollte mich zurückreißen. Ich hob den rechten Arm, wirbelte mich einmal um meine eigene Achse und hatte den Rücken wieder frei.
Der Angreifer in meinem Rücken schoss wie eine Rakete gegen das große Portal und sackte vor der Tür zusammen.
Ich hatte ihn mit voller Wucht seitlich am Hals getroffen.
Jetzt ließen die letzten beiden das Seil los und gingen mich an. Ich wollte ihnen erklären, dass ich vom FBI war. Vielleicht hätten diese drei Buchstaben, die doch sonst eine so magische Wirkung ausüben, wo sie nur ausgesprochen werden, auch hier ihren Dienst getan. Aber ich bekam sie überhaupt nicht über die Lippen.
Der erste meiner neuen Angreifer knallte mir seine Faust genau auf den Mund. Augenblicklich lief mir salziges Blut in den Mund.
Der zweite verpasste mir einen Tiefschlag, dass mir die Luft wegblieb.
Ich muss wohl einen oder zwei Schritte zurückgetaumelt sein, denn für vier, fünf Herzschläge hatte ich Ruhe, weil sie nicht nachstießen.
Das genügte mir. Ich sah vor meinen Augen die roten Schleier verschwinden.
Schon bückten sich zwei wieder nach dem
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