0074 - Die Geister-Braut
unsere Gesichter.
Es war kein Vergnügen, sich bei dem Wetter am Ufer der Themse zu bewegen, aber ich konnte ja nicht nur im Frühling kämpfen.
Suko hielt sich dicht an meiner Seite. Er war froh, wieder mit von der Partie sein zu können, das hatte er mir mehr als einmal zu verstehen gegeben.
Vom Flußufer her krochen die Dunstschleier über den Boden. Der erste Nebel hatte sich gebildet. Die Luft war angereichert mit Feuchtigkeit. Kein Wetter für Kranke.
Die Wohnwagen gaben uns Deckung. Wir blieben stehen und peilten erst einmal die Lage. Undeutlich nur sahen wir die Umrisse des Spukhauses.
Aber wir erkannten einen Wagen, der davor parkte.
»Das Häuschen hat Besuch«, flüsterte Suko.
Ich nickte.
»Meinst du, daß Harry Erskine schon da ist?«
»Mit Sicherheit.«
»Dann holen wir ihn doch.« Suko steckte wieder voller Tatendrang.
»Langsam, Freund.« Ich legte ihm meine Hand auf die Schulter. »Ich möchte nicht unbedingt in eine Falle laufen.«
»Die erwarten uns doch nicht.«
Ich hob die Schultern.
»Sollen wir uns teilen?« fragte Suko.
»Das ist später besser. Einer nimmt den Vorder- und einer den Hintereingang.«
»Okay, Meister, aber dann warte nicht zu lange.«
Das tat ich auch nicht. Geduckt näherten wir uns dem Haus. Wer uns jetzt beobachtete, hätte uns ohne weiteres für Einbrecher halten können.
Wasserlachen bedeckten die Wiesen. Manchmal konnte ich es nicht vermeiden und klatschte voll mit dem Fuß in die Tümpel. Bis zu den Schienbeinen hoch war meine Hose naß.
Und weiter regnete es.
Meine Lederjacke glänzte wie mit Speck eingerieben. Das Haar sah aus, als hätte ich es frisch gewaschen, und als wir das Haus endlich erreichten, hatten Suko und ich keinen trockenen Faden mehr am Leib.
Ich wischte mir über die Stirn. Wir hatten uns an die, von der Haustür aus gesehen, linke Seite gepreßt.
»Wer nimmt den Hintereingang?« flüsterte ich.
Suko deutete auf seine Brust.
Ich war einverstanden. Wir trennten uns mit einem Kopfnicken und in der Gewißheit, daß sich einer auf den anderen verlassen konnte.
Ich warf einen Blick um die Hausecke. Mit einem Auge schaute ich nur. Vor der Treppenstufe war der Boden zertrampelt. Das ließ darauf schließen, daß mehrere Personen in das Haus gegangen waren.
Die ersten Fenster befanden sich rechts und links der Tür etwa in Kopfhöhe. Ich ging etwas in die Knie, als ich daran vorbeischlich. Wenn zufällig einer nach draußen schaute, brauchte er mich nicht unbedingt zu sehen.
Dann stand ich vor der Tür.
Wenn abgeschlossen war, hatte ich. Pech gehabt und mußte ganz offiziell klopfen, denn eine Klingel entdeckte ich nicht. Dann konnte ich mich nur darauf verlassen, daß Suko richtig reagierte.
Die Tür war nicht zu.
Sie besaß noch eine altmodische Klinke und keinen Knauf. Warum sollte ich nicht auch mal Glück haben.
Behutsam drückte ich die Haustür auf, streckte meinen Kopf durch den Spalt und schaute in das Innere.
Der Geruch, der meine Nase berührte, erinnerte mich an Moder und Fäulnis und erzeugte in mir ein Ekelgefühl.
Ich zuckte unwillkürlich zurück.
Meine Gedanken drehten sich. Dieser Gestank kam nicht von ungefähr. Friedhofsgeruch, Verwesung, Moder…
Ich hatte mehr als einmal so etwas wahrgenommen. Auf Kirchhöfen, alten Totenackern und in Verbindung mit Ghouls.
Allein der Gedanke daran erregte bei mir Ekel.
Aber ein Ghoul hier? Kaum. Oder sollte dieses Haus ein grauenhaftes Geheimnis bergen. Eine Leiche, zum Beispiel…
Ich ließ die Spekulationen, drückte die Tür so weit auf, daß ich hindurchschlüpfen konnte und betrat das Gebäude.
Meine Beretta hielt ich in der rechten Hand, ich wollte sichergehen, daß mich niemand überraschte.
Einen Schritt ging ich voran, den nächsten.
Halbdunkel.
Schwer mit Blicken zu durchdringen.
Aber wo versteckten sich die anderen?
Ich hörte das Pfeifen, vermischt mit einem leisen Klirren, drehte mich sofort nach rechts, aber nicht schnell genug.
Die Kette traf mein rechtes Handgelenk. Wie von selbst ließ ich die Waffe fallen, ging unwillkürlich zurück, bis ich mit dem Rücken gegen die Tür stieß, und hob die linke Hand zu einer Abwehrbewegung.
Der Kerl, der geschlagen hatte, setzte sofort nach. Wie ein Schemen kam er aus dem Hintergrund, und mir wurde angst und bange, als ich ihn erkannte.
Es war der untote Rocker aus der Tiefgarage!
***
Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr. Wie kam diese Figur in das Haus? Was hatte er hier zu suchen?
Zeit, Fragen
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