0074 - Söldner des Teufels
Idealistische, Einzelgänger…
Sie antwortete überlegt, sagte nur das, was er wahrscheinlich hören wollte. Die Story, die sie ihm vorkohlte, gefiel ihr selbst: Sie gab sich aus als Französin, die hier in den USA studierte, Schwierigkeiten mit Land und Leuten hatte, weder Freund noch Freundin besaß, das Studienprogramm zu anstrengend fand, von niemandem so richtig ernst genommen wurde. Ganz nach dem Motto ›Mein jetziges Leben gefällt mir überhaupt nicht. Ich fühle mich kreuzunglücklich und möchte alles ganz anders machen.‹ Sie sah in seinen Augen, wie sehr er Spaß an ihrer Erzählung hatte. Als sie ihm dann noch steckte, daß sie Waisenkind sei, glühte er fast vor Begeisterung.
»Ich verstehe dich, meine Tochter«, sagte er. »Und wie ich dich verstehe. Ja, ich bin ganz sicher, daß dir die Gemeinschaft des Lichts helfen kann. Hier bei uns wirst du alles finden, was du suchst. Ich glaube, wir können dich schon recht bald mit dem Großen Geist des Lichts in Verbindung treten lassen.«
Dann wurde er geschäftsmäßig. Er ließ sich ihren Personalausweis geben und fischte aus dem hölzernen Pseudosonnentisch, der auf seiner Seile anscheinend einige Fächer hatte, ein Formular hervor, das er ihr über die Platte hinüberreichte. Es war ein Vordruck, in dem sie per Unterschrift bestätigen sollte, daß sie aus freien Stücken und ohne Zwang willens sei. Mitglied der Sekte zu werden, daß sie die Volljährigkeit erreicht hatte und ihr persönliches Vermögen den Kindern des Lichts zu überschreiben gedachte. Insgesamt ein Papier, mit dem sie sich mehr oder weniger selbst vollkommen aufgab und dies als Akt der Freiwilligkeit darstellte. Letzteres diente natürlich nur dem Zweck, sich Außenstehenden gegenüber juristisch abzusichern.
Nicole konnte nur staunen, daß es wirklich zahlreiche junge Menschen gab, die diese Art Offenbarungseid ablegten. Manche Leute waren an ihrem Unglück wirklich selber schuld.
Der Sektenbonze schien sich ihrer so sicher zu sein, daß er ihr sogar riet, nicht sofort zu unterschreiben, sondern sich erst noch zu prüfen. Hierzu würde sie im Tempel Gelegenheit finden.
Nicole erklärte sich einverstanden.
»Ich danke dir, Vater Gabriel«, sagte sie zutraulich.
Der Bonze betätigte einen Klingelknopf unterhalb der Tischplatte.
Sekunden später erschienen die beiden Männer, die sie hergebracht hatten, und holten sie ab. Mit dem Lift fuhren sie diverse Stockwerke tiefer, verließen die Kabine dann wieder.
Ein langgestreckter Korridor lag vor ihnen. Erneut bekam sie einen Beweis für das Psychologieverständnis der Sektenbosse. Diesmal machte man ganz auf Mystik. Ein süßliches, schweres Aroma erfüllte den ganzen Korridor – Hasch oder etwas Ähnliches. Boden- und Wandteppiche, bedruckt mit fernöstlichen Motiven, überall.
Einer der Männer schloß eine der zahlreichen Türen auf, die von dem Korridor abgingen. Nicole blickte in ein Zimmer, das beeindruckend wirkte. Auch hier diese Teppiche. Dazu eine Einrichtung, die echte Atmosphäre vermittelte. Keine Möbel im eigentlichen Sinne.
Dafür Liegekissen neben Liegekissen, kleine Bänke, auf denen allerlei Dinge lagen und standen. Mandalas, fernöstliche Götterbilder, Bücher, bunte Flaschen, Zigaretten, bei denen es sich eindeutig um Joints handelte. Indirekte schummrige Beleuchtung, denn ein Fenster gab es nicht. Und exotische Musik, unauffällig und dennoch irgendwo hypnotisch. Selbstverständlich fehlte auch hier dieses schwere sinnenverwirrende Aroma nicht.
»Hier kannst du dich prüfen, meine Tochter«, sagte einer der Weißgewandeten.
Dann ging er, gefolgt von seinem Kumpan. Nicole blieb allein zurück.
Sie ließ sich ihre Sinne nicht verwirren. Möglich, daß die Sekte nahezu alle Interessenten auf diese Weise einwickeln konnte, sie ganz bestimmt nicht.
Auf einem der Kissen fand sie etwas, was ihr sehr gefiel: Eins jener weißen Gewänder, mit denen hier jedermann herumlief. Sie zögerte nicht, einen entsprechenden Garderobenwechsel vorzunehmen. So, jetzt konnte sie rein äußerlich als Kind des Lichts durchgehen.
Langsam wurde es nun Zeit für sie, das zu tun, was sie sich vorgenommen hatte. Mit dem Gewand würde sie sich sicherlich frei im Haus bewegen können.
Sie holte tief Luft.
Auf in den Kampf!
Dann ging sie zur Tür, legte die Hand auf die Klinke und drückte sie nach unten.
Die Tür war abgeschlossen!
Verdammt! murmelte sie vor sich hin. Damit hatte sie nicht gerechnet. Aber es führte kein Weg
Weitere Kostenlose Bücher