0075 - Das tödliche Tagebuch
vorhatte, täuschte sie mit einem freundlichen Lächeln, und sie lächelte ganz kurz zurück.
Noch war die Straße zu sehr belebt, als daß ich es hätte tun können. Ich mußte warten. Das fiel mir nicht leicht, denn mein Blut geriet immer mehr in Wallung. Vor allem Drogan war entsetzlich ungeduldig. Aber auch er sah ein, daß wir nicht vor allen Leuten über das bildhübsche Mädchen herfallen konnten.
Als ich neben ihr ging, sagte ich freundlich: »Zwei, die denselben Weg haben.«
Sie musterte mich, und ich stellte fest, daß ich bei ihr ankam. Das heißt, ich war ihr Typ. Das erleichterte mir mein Vorhaben natürlich ungemein. Ich biederte mich mehr und mehr an. Es gelang mir spielend, sie zu täuschen. Sie fiel so vorbehaltlos auf mich herein, daß es mich geradezu in Erstaunen versetzte. So durchschlagenden Erfolg hatte ich noch bei keinem Mädchen gehabt.
Jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, weiß ich, daß Drogan meine männliche Ausstrahlung verstärkte und mich für dieses Mädchen unwiderstehlich machte.
Deshalb fiel es mir so leicht, mich an ihr Vertrauen heranzupirschen und es im Sturm zu erobern. Keinem anderen Mann hätte sie gestattet, daß er sie nach Hause begleitete. Mir aber gewährte sie diese Bitte sofort.
Ich redete albernes Zeug, um sie einzulullen. Bisher hielt ich es für einen aufgelegten Blödsinn, wenn jemand von Liebe auf den ersten Blick redete. Doch nun weiß ich, daß es so etwas sehr wohl geben kann. Ich sah Sie, und ich war sofort verliebt in Sie.
Nadia lachte silberhell.
Was ich gesagt hatte, tat ihr gut. Welches Mädchen hört so etwas nicht gern? Alle Frauen wollen begehrenswert sein.
Wir gingen nebeneinander durch Jackson Heights. Drogans Unrast wuchs. Ich konnte ihn kaum noch zurückhalten. Aber mir schien es für die Tat noch nicht einsam und auch noch nicht dunkel genug zu sein. Ich versuchte ihn hinzuhalten. Wir stritten uns in meinem Inneren, während ich meinen Mund Süßholz raspeln ließ.
»Sie würden mich glücklich machen, wenn ich Sie morgen wieder begleiten dürfte«, sagte ich zu Nadia.
Sie hatte nichts dagegen.
Drogan und ich lachten innerlich. Morgen. Für Nadia würde es kein Morgen mehr geben. Sie war schon so gut wie tot. Daß sie davon keine Ahnung hatte, machte mich halb verrückt vor Freude.
»Es gibt doch hoffentlich keinen eifersüchtigen Freund, der mich wegen dieses harmlosen Vergnügens verprügeln möchte, oder?« fragte ich leichthin.
Sie lachte wieder so herzerfrischend hell. »Nein. Nein, zur Zeit gibt es einen solchen Freund nicht.«
Ich ließ meine Augen funkeln. »Dann… dann darf vielleicht ich diesen Platz einnehmen?« fragte ich hoffnungsvoll.
»Vielleicht«, sagte Nadia Vega, und daß hieß natürlich ja.
Wir bogen in eine dunkle Straße ein. Zwei Lampen waren hier ausgefallen. Ich wußte sogleich, daß ich Drogan jetzt nicht mehr länger zurückhalten konnte, und ich wollte auch selbst nicht mehr länger warten. Wir waren allein in dieser Straße. Ganz allein. Und es war finster. Idealere Bedingungen würde ich nirgendwo vorfinden. Also sollte es hier geschehen.
Ich blieb abrupt stehen. Auch Nadia ging nicht weiter. Sie wandte mir ihr anmutiges, unschuldiges Gesicht zu und blickte mich mit ihren großen naiven Augen fragend an.
»Was ist?« fragte sie mich verwundert.
»Du bist so schön, Mädchen«, sagten wir zu ihr. »So wunderschön.«
»Vielen Dank für das Kompliment«, lachte sie.
»Das schönste Mädchen bist du, das mir jemals begegnet ist.«
Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was ich mit ihr vorhatte. Ihre Augen waren voller Vertrauen zu mir. Sie fühlte sich von mir angezogen. Wenn ich sie in meine Arme genommen hätte, um sie zu küssen, hätte sie es widerspruchslos geschehen lassen. Aber ich hatte nicht die Absicht, sie zu küssen. Ich wollte sie töten.
»Du bist das richtige Mädchen für mich!« keuchte ich aufgewühlt.
Über ihr Gesicht breitete sich ein nettes Lächeln.
»Das richtige Mädchen«, knurrte ich. »Es gibt kein anderes, das ich so gern töten möchte wie dich!«
Für den Bruchteil einer Sekunde blieb das Lächeln noch auf ihrem Gesicht. Sie dachte wohl, sich verhört zu haben. Aber dann zeigte ich ihr meine schrecklichen Klauen, und da wußte sie, daß sie sich nicht verhört hatte. Namenloses Grauen verzerrte ihr bildhübsches Gesicht. Ich weidete mich an ihrer Todesangst.
Und als sie von mir fortlaufen wollte, riß ich ihr mit Drogans satanischer Gewalt das blühende Leben aus
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