0077 - Der Mörder aus dem Nichts
sich in seinem grauen, blutbeflecktes Trikot in einer Ecke des Kellers zu schaffen machte.
Dann kam er, langsam und rückwärts gehend, aus der Ecke und spulte eine dünne schwarze Schnur dabei ab, die er in sorgfältigen Schlangenlinien bis zu einem Punkt seitlich vom Tisch legte.
»Ich hoffe, Sie kennen das, G-man?« fragte er, als er sich aufrichtete. »Es ist eine Zündschnur. Bevor ich gehe, werde ich sie anzünden, und Sie werden genau beobachten können, wie sich die Flamme bis in jene Ecke frißt. Dort habe ich mehr als fünf Pfund Trinitrotoluol aufgestapelt. Es wird über eine halbe Stunde dauern, bis die Flamme den Sprengstoff erreicht.«
»Sie gehören nicht nur in ein Irrenhaus, Toomin«, sagte ich. »Sie waren schon einmal drin.«
»Ja«, keuchte er. »Ja, ich war schon einmal in einer Anstalt. Zwei schreckliche Jahre lang. Und der Neid und die Undankbarkeit und die Mißgunst eines Mannes, der mir alles verdankt, hat mich dorthin gebracht.«
Ich verstand, was in seinem kranken Gehirn vorging. Er bildete sich ein, Cailleau habe ihn mit Absicht in eine Anstalt bringen lassen.
»Cailleau, nicht wahr?« fragte ich. »Ja«, antwortete er, und jetzt glomm wieder dieser wahnsinnige Funke in seinen Augen. »Mein Freund, mein Schüler Cailleau. Er hat das getan, weil er meine Erfindung stehlen wollte.«
»Und natürlich waren Sie nicht krank, sondern gesund?«
»Ich bin gesund!« heulte er. »Ich war nicht krank! Ich bin klüger als andere, aber ich bin nicht wahnsinnig! Ich war nie wahnsinnig. Sie glaubten, sie könnten mir auf diese Weise mein Wissen aus dem Gehirn pressen! Darum sperrten sie mich ein!«
»Und darum haben Sie auch die anderen Leute befreit, die dort festgehalten wurden?«
»Ja, ich tat es«, antwortete er würdevoll. »Sie alle sind nur durch andere hineingebracht worden. Keiner von ihnen ist wirklich krank. Ich habe sie alle befreit.«
»Ich habe geholfen, sie wieder einzufangen«, versetzte ich trocken.
»Ein Grund mehr, daß Sie sterben müssen.«
»Und den Bankeinbruch haben Sie auch auf dem Gewissen, nicht wahr?«
Jetzt kicherte er wieder.
»Ja«, sagte er und rieb die Hände aneinander! »Ich brauchte Geld. Es war so einfach für mich, es zu holen. Niemand sah mich. Das hier half mir.«
Er streichelte einen kleinen schwarzen Kasten, der auf irgendeine Weise vor seiner Brust an dem Trikot befestigt war. »Wenn ich den kleinen Knopf drücke, dann fließt der Strom durch die Fäden in diesem Trikot, dann werden die Lichtstrahlen abgelenkt, und niemand sieht mich mehr. Alle glauben, es geht nur mit großen Energiemengen, aber es geht auch mit der wenigen Elektrizität, die ein paar Batterien spenden. Man muß nur wissen, wie es gemacht wird. — Übrigens, Sie kluger G-man, es geht nicht immer. Ihnen ist es nicht aufgefallen, daß der Unsichtbare nur in der Nacht und bei künstlichem Licht seine Taten verübte. Mit dem Licht der Sonnenstrahlen werde ich noch nicht fertig.«
»Und in der Bank?«
»Künstliches Licht, G-man. Der Eingang liegt in der Toreinfahrt, und der Schalterraum hat keine Fenster. Tag und Nacht brennt dort Licht. Darum habe ich mir die Filiale ausgesucht. Und vor der Toreinfahrt stand mein Wagen. Zwei Schritte brauchte ich nur durch das Tageslicht zu tun. Dann zog ich meinen Mantel an, setzte den Hut 'auf und fuhr davon. Es war ganz einfach.«
Ich dachte, ich könnte ihn vielleicht zur Vernunft bringen, wenn ich ihn lobte.
»Sie sind ein Genie, Professor, aber warum nahmen Sie nicht das ganze Geld?«
»Ich brauchte nicht mehr«, versetzte er einfach. »Außerdem wäre es nicht gegangen. Ich kann nicht viel mit mir herumschleppen wenn ich unsichtbar bleiben will. Metall schon gar nicht. Wenn ich anderes Metall als die Fäden in diesem Stoff, die die abgebogenen Lichtstrahlen leiten, an mir trage, so wird die Genauigkeit der Ableitung gestört und der Charakter der Strahlen verändert. Sie werden hart, dringen durch und bekommen Röntgenstrahlen-Eigenschaften. Dann werde zwar nicht ich, aber mein Gerippe sichtbar.«
»Darum sprach der Wärter des Sanatory von einer Knochenhand.«
Er nickte grinsend. »Ich mußte den Schlüssel anfassen, als ich die Gefangenen befreite. Ich hielt Bobo an seinem Metailhalsband fest, als ich ihn schlug, und darum sah Virginia Cailleau die Knochen meiner Hand. Als ich merkte daß solche Erscheinungen auf die Gemüter besonders wirkte, tat ich es absichtlich. Ein Metallstreifen genügte, um mein Gesicht in einen grinsenden
Weitere Kostenlose Bücher