0077 - Die teuflischen Puppen
in die Wohnung zu fahren und sie zu untersuchen. Da waren andere Dinge viel wichtiger.
Angefangen hatte alles bei Harrods. Und dort wollte ich auch nachhaken.
Suko betrat mein Büro. Der Chinese hob die Schultern. »Sorry«, sagte er, »aber Shao ist immer noch nicht zu Hause.«
»Ich versuche es noch einmal bei Jane.«
Auch sie meldete sich nicht.
Pech.
Langsam wurde ich unruhig. Wenn sich beide nicht meldeten, waren sie sicherlich unterwegs. Ich kannte Janes Eifer, wenn es galt, einen Fall zu lösen. Da ließ sie sich durch nichts beirren. Sie ging mit Schwung an die Sache heran, auch wenn sie sich auf einer Einbahnstraße in die Hölle befand. Ich schlug Suko auf die Schulter. »Komm«, sagte ich, »meiner bescheidenen Meinung nach werden wir bei Harrods noch einige Spuren finden. Vielleicht auch sogar Sinistro.«
»Optimist, wie?«
Ich grinste. »Wenn ich das nicht wäre, Suko, dann könnten wir hier einpacken und einen Schaschlikstand für Hunde aufmachen.«
Suko lachte. Es war für längere Zeit das letzte Mal, daß er dies noch konnte…
***
Die Minuten vergingen.
Und jede einzelne kam den beiden Mädchen doppelt so lange vor. Sie waren es nicht gewohnt, zu warten und vor allen Dingen stillzuhalten. So kam es, daß sie schon nach einer knappen Viertelstunde unruhig wurden.
Antje war es, die immer wieder ihren Lockenkopf in den Gang strecken wollte. Zum Glück erwies sich Christiane als besonnener. Sie hielt ihre Schwester zurück.
Langsam ebbten die Geräusche innerhalb des großen Kaufhauses ab. Das monotone Rauschen und Murmeln verstummte, die letzten Käufer verließen den Komplex, und auch das Personal begab sich zu den Seitenausgängen und drängte ins Freie.
Die Stille kam den Mädchen direkt unheimlich vor.
Antje schüttelte sich, weil sie eine Gänsehaut bekommen hatte. »Daran muß man sich erst gewöhnen«, flüsterte sie. »Ob wir es wohl wagen können?«
»Nein«, erwiderte Christiane »wir müssen mindestens noch eine Stunde warten.«
»Warum denn das?«
Die Antwort wurde nicht von Christiane gegeben, sondern durch das Knallen der Waschraumtür. Plötzlich hörten die jungen Deutschen Stimmen. Die Mädchen hielten den Atem an und lauschten.
Schon bald hatten sie herausgefunden, daß es zwei Putzfrauen waren, die sich innerhalb der Toilettenanlagen aufhielten. Sie begannen mit ihrer Arbeit, unterhielten sich, und dabei drehten sich ihre Gespräche um die Käufer und die Benutzer der Toilettenanlagen und wie schmutzig diese abends waren.
Die Staubsaugerpilotinnen zogen Ihre Bekannten durch den Kakao, ließen keinen aus.
Den beiden Mädchen wurde in ihrer engen Kabine die Zeit nicht langweilig. Jetzt hatten sie etwas, wonach sie lauschen konnten. Zum Glück dachten die Putzfrauen nicht daran, auch noch die Toiletten zu säubern. Sie waren nur für die Waschräume und den Mittelgang verantwortlich.
Schließlich hatten sie ihre Arbeit beendet und zogen sich erzählend zurück.
Antje hatte schon den Türgriff in der Hand, doch Christiane legte ihrer Schwester eine Hand auf den Arm.
»Laß es.«
»Aber sie sind doch…«
»Bis alles ruhig ist, dauert es noch mindestens eine halbe Stunde«, sagte Christiane.
»Wie du meinst.« Antje drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür.
Antje war anders als ihre Schwester. Sie liebte die Sprunghaftigkeit, heute hier, morgen da, und sie wußte auch schon, wie man es anstellte, einen Jungen auf sich aufmerksam zu machen.
Die Zeit verstrich.
Quälend langsam…
Die Mädchen würden unruhig. Antje beschwerte sich; Christiane wurde auch sauer, und plötzlich verlöschte das Licht.
Auf einmal war es dunkel.
»Meine Güte«, flüsterte Antje, »habe ich mich vielleicht erschreckt! Mein Herz.«
Christiane stand an der Tür. »Bald können wir es wagen«, flüsterte sie.
»Meinst du?« Antje, sonst immer forsch, hatte plötzlich Angst bekommen.
Christiane faßte nach ihrem Arm. »Los jetzt, und keine Müdigkeit vortäuschen.«
Die jüngere Schwester öffnete die Toilettentür und verzog das Gesicht, als sie das Quietschen der Angeln hörte. Christiane streckte den Kopf in den Gang, konnte aber nichts erkennen, weil es zu dunkel war.
Dann schlüpfte sie aus der Kabine.
Antje folgte ihr.
Die Mädchen wandten sich nach links, dem eigentlichen Waschraum zu, wo sich auch die Tür befand, durch die sie gekommen waren. Sie gingen auf Zehenspitzen, denn sie hatten Angst, daß doch jemand ihre Schritte hören konnte. Wurden
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