0078 - Der Todeszug
und auch über die Dämonologie. Aber Spiritismus und Geisterbeschwörung waren eine Wissenschaft für sich, die auch gewisse Fähigkeiten und Talente voraussetzte.
Diese hatte ich mir bisher weder aneignen können noch wollen.
»Nicht verzagen, unsern Leutnant fragen«, sagte Suko. »Vielleicht haben wir Glück, und in Celano gibt es einen Spiritistenzirkel.«
Wir hatten kein Glück. Die Einwohner von Celano hatten mit Spritismus nichts im Sinn. Aber in Tagliacozzo gab es einen alten Professor, der allerdings nur einen Teil des Jahres dort lebte. Der Mann war sogar ein hervorragender Spiritist, der auch in Tagliacozzo einen Zirkel unterhielt und mit Gleichgesinnten Seancen veranstaltete.
Das sagte uns der Leutnant. Er rief gleich in Tagliacozzo im Haus des Professors an. Dessen Angestellter, wohl Art Butler, teilte ihm mit, der Herr Professor sei zur Zeit auf Reisen und werde erst am nächsten Tag zurückerwartet.
Wir entschlossen uns, die Nacht noch in Celano zu verbringen und den Spiritismus-Professor am nächsten Tag aufzusuchen. Er würde uns gewiß unterstützen.
***
Endlich fanden wir Zeit zu einem verspäteten Mittagessen, denn die Natur forderte ihr Recht. Die Pizza war ebenso groß wie fantastisch. Nach Art der Gegend zubereitet, hatte sie alle möglichen Zutaten und genug Kalorien, um einen Schwerarbeiter zu sättigen.
Suko rieb sich nach der Mahlzeit im Ristorante den Bauch.
»Noch ein paar Essen, und ich habe im Nu fünf Kilo zugenommen.«
»Die bringst du beim Karatetraining wieder herunter. Oder laß sie dir in London von Shao wegmassieren.«
»Das will ich mir überlegen«, lachte Suko dumpf.
Die Einheimischen behandelten uns mit Respekt, und wir erhielten eine Vorzugsbedienung. Denn es hatte sich herumgesprochen, wer wir waren und was wir hier wollten. Wir hatten gerade das Glas Wein ausgetrunken, das zur Mahlzeit gehörte, als es draußen auf der Straße hupte.
Gleich darauf trat Gino Leone ein. Er verlangte unbedingt, daß wir ihn an diesem Abend zu Hause besuchen und seine Gäste sein sollten. Wir konnten es ihm nicht abschlagen und sagten zu, falls nichts dazwischenkäme.
Gino Leone bat uns, um 19 Uhr bei ihm zu sein und nannte uns die genaue Anschrift und den Weg. Er mußte dann wieder zum Bahnhof. Wir besorgten uns vom Autoverleiher einen 1500er Fiat und fuhren zunächst zum alten Gutshaus der Frascatis.
Es war ein großer Kasten, der früher gewiß einmal imponierend ausgesehen hatte. Jetzt wirkte er nur noch verlottert. Die meisten Fensterscheiben waren eingeschlagen, die Räume drinnen kahl, leer und kalt. Das Haus hätte wieder instandgesetzt werden können.
Aber diesen Wohnsitz konnte sich nur jemand mit größerem Vermögen leisten, und ohne den dazugehörigen Grundbesitz rundum war er uninteressant. Außer Spinnweben und ein paar Mäusen entdeckten wir drinnen nichts.
Der Besuch auf dem Friedhof erwies sich auch nicht als ergiebiger. Um die Familiengruft der Frascatis wucherte Unkraut. Von einer unheimlichen Atmosphäre war nichts zu spüren. Wir fuhren noch zu der Stelle, wo am vorigen Abend der Zug kurz vor der Höllenhand angehalten hatte.
Die Bahnarbeiter waren fleißig am Werk, um den einen Schienenstrang auszubessern. Der andere war intakt, ein Zug fuhr gerade vorbei.
Dann war es auch schon an der Zeit, die Leones aufzusuchen. Von einer Telefonzelle aus riefen wir die Carabinieristation und den Bahnhof an. Es war nichts Besonderes vorgefallen.
Die Leones bewohnten ein nettes kleines Häuschen mit einem Garten drumherum am Stadtrand. Gino Leone war überglücklich, seiner Familie und seinen Verwandten, Freunden und Bekannten den berühmten Geisterjäger aus London und dessen chinesischen Freund vorstellen zu können.
Er gab eine kleine Feier uns zu Ehren. Was die Leones uns alles zu essen und zu trinken auftischten, konnten wir unmöglich verkraften. Aber besonders Suko hieb wacker ein und fraß sich buchstäblich ins Herz der alten Mamma Leone, die mit im Haus wohnte.
Gino Leone und seine Frau hatten drei Kinder, das vierte war deutlich sichtbar unterwegs. Im Juli sollte der kleine Erdenbürger zur Welt kommen. Die Leones waren alle glücklich, daß das Familienoberhaupt seine Stelle als Stationsvorsteher wiederhatte, und von dem schlimmen Verdacht gereinigt war.
Nachdem die Kinder ihre erste Scheu vor Suko überwunden hatten, waren sie wie verrückt mit ihm. Signor Suko mußte für sie Chinesisch sprechen, mit den Ohren wackeln und Grimassen schneiden. Wenn
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