007b - Duell mit den Ratten
dann nackt in seinem Zimmer?
Sie sprang entsetzt hoch und blickte sich um. Zum erstenmal, seit sie das Zimmer betreten hatte, betrachtete sie die Einrichtungsgegenstände genauer. Das war nicht ihr Zimmer. Wie hatte sie das nur annehmen können? Das war das Zimmer eines Mannes. Mit einem hysterischen Schrei stürzte sie auf den Korridor hinaus, nackt wie sie war. Sie rannte so lange, bis sie Miß Swanson in unnatürlich steifer Haltung an eine Wand gepreßt stehen sah. Hilfesuchend warf sie sich auf sie. Und als sie Miß Swanson berührte, fiel der Bann endgültig von ihr ab. Sie sah wieder klar.
Coco hatte in einem Kreis der weißen Magie Zuflucht gesucht, als sie in zu große Bedrängnis geraten war. Diese Zufluchtstätte, die Dorian bei seinem Besuch auf einem Treppenabsatz für sie geschaffen hatte, war ihre letzte Rettung gewesen. Sie hatte sich dem geistigen Zugriff der Dämonen einfach nicht mehr aus eigener Kraft erwehren können.
In diesem Moment war Miß Whitley nackt und hysterisch schreiend wie eine Furie die Treppe heruntergerast und hatte sich an sie geklammert. Erst als sie den magischen Kreis überschritten hatte, war sie wieder zu sich gekommen.
»Was ist nur in mich gefahren?« fragte sie schluchzend. »Ich schäme mich zu Tode.«
»Genau das will man erreichen«, sagte Coco. »Man will Sie in den Tod treiben.«
»Aber wer? Und warum?«
»Ich weiß nicht warum«, antwortete Coco und drückte die am ganzen Körper zitternde Frau gegen die Wand. »Aber wenn Sie hier stehenbleiben, kann Ihnen nichts passieren. Rühren Sie sich nicht vom Fleck, bis ich wiederkomme!«
»Ich kann doch nicht hierbleiben, nackt wie ich bin!« rief Miß Whitley entsetzt, als Coco aus dem Kreis trat.
»Bleiben Sie, wo Sie sind! Dann kann Ihnen nichts geschehen«, wiederholte Coco eindringlich und wandte sich der Treppe zu.
Kaum hatte sie den magischen Kreis verlassen, als die unsichtbaren Dämonen wieder nach ihr griffen. Sie sah Trugbilder von wilden Schauergestalten, die auf Ungeheuern durch die Korridore des Schlosses ritten. Und sie hörte Stimmen.
Mike Lundsdale rief: »Judy, komm zurück!«
Und Miß Doyle flehte mit entstellter Stimme: »Schlag mich, Mortimer! Bitte, bitte, schlag mich!«
Coco wehrte sich gegen die Visionen und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. So erreichte sie schließlich unter größter Willensanstrengung das Erdgeschoß. Sie mußte in ihr Büro, egal was es kostete, denn dort hatte Dorian an ihrem Schreibtisch weitere Dämonenbanner angebracht. Doch ihre Knie wurden weich und ihre Bewegungen immer lahmer. Eine schwere Last schien auf ihre Schultern zu drücken. Die Umgebung verschwamm vor ihren Augen, und plötzlich begann sich alles zu drehen. Als sie Halt suchend um sich griff, bekam sie eine Türklinke zu fassen. Sie drückte sie nieder und taumelte in den dahinterliegenden Raum.
Sie war in ihrem Büro! Mit letzter Kraft erreichte sie ihren Schreibtisch und ließ sich auf den Sessel sinken. Sofort wich die unheimliche Macht von ihr. Sie griff an die Unterseite der Sitzfläche des Sessels und atmete auf, als ihre Finger dort über die vertrauten Symbole tasteten, die in einer bestimmten Anordnung um ein kleines Kruzifix gruppiert waren.
Schnell wählte sie die Nummer der Jugendstilvilla. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Miß Pickford am Apparat war.
»Hier spricht Coco«, sagte sie. »Was ist mit Don los? Dorian hat versprochen, ihn zu mir zu schicken.«
»Ist er denn noch nicht eingetroffen?« wunderte sich Miß Pickford. »Norman Winter ist schon vor etlichen Stunden mit ihm von hier abgefahren.«
»Mein Gott!« entfuhr es Coco. »Dann ist ihm etwas zugestoßen.«
»Malen Sie nicht sofort den Teufel an die Wand!« mahnte Miß Pickford. »Es wäre auch möglich, daß Mr. Hunter im letzten Augenblick umdisponiert hat. Zuzutrauen wäre …«
»Geben Sie mir Dorian! Aber schnell!« unterbrach Coco sie ungehalten.
»Er ist nicht hier«, entgegnete Miß Pickford. »Er hat von mir verlangt, daß ich Phillip ankleide, und ist vor einer halben Stunde mit ihm in die City gefahren. Ich finde das verantwortungslos, Coco, und habe es Mr. Hunter auch gesagt. Aber er hörte überhaupt nicht auf mich. Mir brach es fast das Herz, als ich sah, wie er den armen Phillip gegen seinen Willen zum Wagen trieb und mit ihm losbrauste.«
»Hat Dorian nicht gesagt, wohin er fahren wollte?«
»Doch. In die City. Dort soll Phillip für ihn einen Maler ausfindig machen, der das Porträt
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