008 - Hexenbalg
erlebt, haben vielleicht geheimen Kummer. Aber weiter unten ist ein Schlüssel. Die Lage bessert sich. Sie werden wieder glücklich. Und das ist das Beste, der Grund für Ihr Glück.«
Beth sah ein paar Teeflecken inmitten undeutlicher Konturen. »Was bedeutet das?«
»Das sind Elstern. Es gibt ein altes Sprichwort: Eine Elster bedeutet Kummer, zwei Freude, drei Hochzeit, vier Geburt. In Ihrer Tasse sind vier. Sie werden Mutter.«
Beth war sprachlos vor Freude. Aufgeregt beugte sie sich vor und vergaß völlig, dass sie eigentlich an Wahrsagerei nicht glaubte: »Was sehen Sie noch? Sehen Sie, wann das Kind geboren wird?«
Mrs. Richards schüttelte den Kopf. »Sonst sehe ich nichts von dem Baby, aber da sind andere Zeichen, weniger glückliche. Sie müssen auf der Hut sein. In der Mitte die Form eines Fuchses. Das ist ein unvermuteter Feind, und da eine Schlange – das Zeichen für Unglück.«
»Was für ein Unglück?«
»Das weiß ich nicht. Es liegt zu weit in der Zukunft. Vielleicht finden wir Genaueres in der nächsten Tasse, weil Sie hoffentlich sehr oft zu Besuch kommen werden.«
Beth versprach es der alten Dame. An jenem Abend dachte sie nicht mehr an die bösen Vorzeichen in der Tasse, sie dachte nur an die Elstern und war fröhlicher, als Peter sie seit langem gesehen hatte.
Der Winter schien kein Ende nehmen zu wollen, aber schließlich wagten sich die ersten Frühlingsblumen heraus, und die endgültig letzte Schneeladung polterte vom Dach. Als Beth eines Tages am Kinderzimmer vorbeiging, hatte sie das sichere Gefühl, dass sich darin etwas geändert hatte. Sie machte kehrt und ging zurück. Die Tür war nicht mehr versperrt. Sie stand einen Spalt offen.
Neugierig machte Beth die Tür ganz auf. Zu der Kommode hatte sich ein neues Möbelstück gesellt – eine altmodische hölzerne Wiege.
Mit leuchtenden Augen lief sie in den Keller und platzte mitten in Peters Arbeit in der Dunkelkammer.
»Beth, jetzt ist mein Film im Eimer!« rief er, war aber gar nicht böse, als sie die Arme um ihn schlang.
»Gefällt sie dir?« fragte er. »Ich habe sie auf einer Auktion entdeckt.« Und auf diese Weise gab er zu erkennen, dass er die Tiefe ihrer Sehnsucht gespürt und wieder den Mut zu einem neuen Versuch gefasst hatte.
10
Im Frühsommer hatte Beth wieder die Gewissheit, dass sie guter Hoffnung war, und wieder musste sie an die vier Elstern in der Tasse denken. Bis jetzt hatten die Teeblätter recht behalten, und ihr Vertrauen, dass diesmal alles gut gehen werde, wuchs.
Die alte Mrs. Richards, die felsenfest an ihre Voraussage glaubte, häkelte ein reizendes weißes Babykleidchen. Beth, die zusah, wie es unter den knotigen Fingern der alten Dame Form annahm, spürte immer sicherer, dass sie tatsächlich Mutter werden würde.
Sie unternahm lange Spaziergänge in die Wälder und war verwundert, wie verändert ihr alles schien. Wie schön es das Kind hier haben würde! Bäume und Blumen wetteiferten miteinander, die Gegend, die ihr früher trübe und trostlos erschienen war, so fröhlich und bunt wie möglich zu machen.
In diesen Wäldern sollten Hexen hausen? Nein, hier gab es höchstens Kobolde und gute Feen, aber keine Hexen. Und doch mied sie den schönen Weg, der zu jener Stelle führte, wo Peters Kusine Georgiana vom Pferd abgeworfen worden war. Wahrscheinlich hatte Peters Abneigung gegen diese Stelle auf sie abgefärbt. Sie kam gar nicht auf die Idee, dass sie seit vergangenem Winter eine neue, nähere Beziehung zu dieser Tragödie hatte.
Georgianas Puppe hatte Beth fast vergessen. Als sie diese gelegentlich zufällig bemerkte, nahm sie verwundert zur Kenntnis, dass die Puppe noch immer den melancholischen Gesichtsausdruck hatte, während sie hinter den Scheiben, auf denen sich der Sommerstaub sammelte, immer undeutlicher wurde.
Schließlich führten ihre ausgedehnten Spaziergänge sie doch an die Stelle, wo Georgiana den Tod gefunden hatte. Beth hatte nicht darauf geachtet, dass sich dunkle Wolken zusammenballten, und als der Regen herabprasselte, lief sie los – in die richtige Richtung, wie sie glaubte.
Bäume bogen sich im Wind. Der Regen war so stark, dass der graue Wasservorhang beinahe die Sicht nahm, und schließlich fielen haselnussgroße Hagelkörner.
Fast ununterbrochen grollte der Donner. Mit schrecklichem Krachen brach ein Ast und stürzte herab. Der Wald schien wie ein Tollhaus, die Bäume bewegten sich wie in einem unheimlichen Veitstanz.
Schwefelgelbes Licht
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