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008 - Hexenbalg

008 - Hexenbalg

Titel: 008 - Hexenbalg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gimone Hall
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zuckte durch das wirbelnde Laub, und Beth wurde von Panik erfasst. Sie konnte sich nicht mehr orientieren, ihr war, als könne man weder Himmel noch Erde trauen. Sie lief weiter, wusste nicht mehr wohin und hoffte nur, sie würde schließlich zur Straße oder zu einem Haus kommen.
    Stattdessen zuckte ein fahler Blitz über den Himmel, und sie sah, dass ihre Hand den Stamm eines verformten Baumes hielt. Sie schrie auf und zuckte zurück, als hätte ihr ein primitiver, uralter Instinkt eingegeben, sie hätte etwas Verfluchtes berührt.
    Als sie erneut hinsah, bemerkte sie auf dem Stamm, dort, wo ihre Hand gelegen hatte, ein kleines Zeichen, das selbst einer Hand sehr ähnlich war – einer erhobenen Hand, aber mit einigen Unregelmäßigkeiten. Der Daumen war unnatürlich geformt, und dort, wo der Zeigefinger hingehört hätte, ringelte sich etwas. Das Zeichen sah aus, als wäre es vor langer Zeit hier angebracht worden. Die Baumrinde war fast darüber gewachsen. Wer hatte es hier eingeschnitten und warum? Die Ränder waren geschwärzt. Vielleicht war es eingebrannt, etwa von einem Blitz? Aber konnte ein Blitz ein so kleines, ungewöhnliches Zeichen hinterlassen?
    Beth verweilte nicht lange bei dieser Frage. Sie war überglücklich, dass sie endlich einen Weg gefunden hatte, der aus dem Wald heraus direkt zum Haus führte. Sie lief weiter, und der Regen ließ nach. Als sie zu Hause ankam, schien bereits die Sonne und ließ die Regentropfen im Gras in allen Regenbogenfarben aufleuchten.
     
     
    ***
     
     
    Der kurze Sommer war rasch vorbei und Beth, die zwar die drohende Kälte fürchtete, freute sich diesmal, weil damit die Ankunft ihres Kindes näher rückte. Es folgte ein kurzes Aufflammen des Herbstes und dann versanken die Fluren wieder in die Trostlosigkeit des Winters.
    Beth, die mittlerweile schwer an ihrem Kind trug, sah, wie der Wind die Bäume entblätterte, und in der Nacht, während sie vergeblich Schlaf suchte, hörte sie, wie das Laub raschelnd in die Dachrinne fiel. Ihre Verfassung litt unter der trüben Jahreszeit. Oft lag sie wach da und fühlte sich neben dem tief schlafenden Peter verlassen. Sie warf sich hin und her und versuchte vergeblich, eine bequeme Lage zu finden, während sie für kurze Intervalle einnickte, sie sie nicht als Schlaf empfand, weshalb sie auch ihre unangenehmen Träume als eine beunruhigende Wirklichkeit empfand.
    Als sie das Schreien zum ersten Mal hörte, hielt sie es für das Scharren der Äste am Dach. Als sie es später wieder hörte, war es das geträumte Schreien eines Kindes. Schließlich wurde es immer flehentlicher. Sie vermeinte es wachend und schlafend zu hören. Herzzerreißendes Schluchzen bat um Antwort, flehte darum, sie möge endlich kommen.
    Die Schreie begannen in weiter Feme, wurden langsam lauter, bis sie schließlich glaubte, sie kämen direkt hinter der geschlossenen Schlafzimmertür hervor.
    Eines Nachts setzte sie sich im Bett auf. Sie konnte das Geräusch nicht länger ignorieren. Mit Mühe quälte Beth sich aus dem Bett und schlich hinaus auf den Gang. Das Schreien wich vor ihren Schritten zurück. Jetzt glaubte sie es aus dem Kinderzimmer zu hören.
    Die halbausgeformten Seelen von Kindern, die nie ins Leben traten. Dieser Gedanke stahl sich in ihr Bewusstsein, als sie die Tür zum Kinderzimmer aufmachte. Drinnen war es still. Die leere Wiege, die sich deutlich vom Fenster abhob, stand völlig ruhig. Nicht einmal ein Luftzug war zu spüren. Das Schreien hatte aufgehört. Die Luft war schwer und drückend. Und dann hörte sie wieder ein kräftiges, weit entferntes Schreien.
    Beth drehte sich um. Etwas in ihrem noch im Schlaf befangenen Bewusstsein hatte ihr gesagt, wohin sie sich wenden sollte. Warum hatte sie nicht schon eher daran gedacht? Sie lief den Gang zurück und kramte in der Tischlade, wo Peter für den Fall eines Stromausfalls Kerzen auf bewahrte.
    Sie zündete ein Streichholz an und hielt es an den Docht. Vorsichtig ging sie mit der Kerze an eine andere Tür. Das Geräusch wurde immer lauter. Sie hatte sich nicht geirrt. Langsam stieg sie die Treppe hinauf.
    Und dann wurde sie zurückgehalten. Sie kämpfte verzweifelt dagegen an.
    »Beth!«
    »Lass mich los! Ich muss zu unserem Kind!«
    »Beth! Unser Kind ist noch nicht geboren!«
    »Aber ich habe es schreien gehört.«
    »Es ist ganz still – hör doch!«
    Nur ein Traum! Jetzt erst sah sie Peters bleiches Gesicht. Sie stand auf der wackeligen Dachbodentreppe, und er hatte die Arme um

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