008 - Hexenbalg
gleichaltrigen Spielkameraden.
Poltern und Gezeter riss sie aus ihren Überlegungen. Dann stürmten Schritte die Treppe herunter. Heulend warf sich der Kleinste in die Arme seiner Mutter.
»Sie hat ihre Katze auf mich gehetzt. Wir spielten Verstecken, und ich war dran. Die Katze hat mich angesprungen und gekratzt. Ich konnte sie nicht abschütteln.«
»Aber Tom, das stimmt ja gar nicht! Man sieht nichts! Warum schwindelst du?«
»Es stimmt! Sie hat die Katze auf mich gehetzt, weil ich sagte, das Pferd wäre nicht richtig lebendig.«
»Abbadon ist lebendig!« rief Starla mit einer Bestimmtheit, die Beth zum ersten Mal an ihr wahrnahm und ihren Herzschlag zum Stocken brachte. Starlas Blick kam aus weiten Fernen und anderen Zeiten.
»Einer Katze kann man nichts befehlen«, sagte eines der älteren Kinder, und damit war die Sache fürs erste erledigt. Die Nachbarin zog mit ihrer Kinderschar unter vielen Entschuldigungen ab.
Beth erlebte jetzt eine neue Abart von Furcht – sie empfand Furcht vor ihrem Kind. Ihre Freude, dass sie endlich Spielgefährten für Starla gefunden hatte, war verflogen. Jetzt musste sie darauf achten, dass sie nie wieder mit den Nachbarskindern spielte.
Peter erzählte sie nichts von dem Zwischenfall. Statt dessen wollte sie sich Rat bei einem Kinderpsychologen holen, dem sie vorsichtig – ohne Hexerei und Zauberkunst zu erwähnen – darlegte, dass Starla nicht mit anderen Kindern spielen könne, weil die exzentrische Kinderfrau ihre Phantasie in ungesunde Bahnen gelenkt hätte.
Aber Beths Nervosität musste sie verraten haben, denn der Arzt sagte, nachdem er sich ihre Geschichte angehört hatte: »Mrs. Mitchell, ehe Sie Hilfe für Ihre Tochter suchen, sollten Sie selbst einen Besuch bei einem Psychiater in Erwägung ziehen. Vielleicht haben Sie selbst ein verborgenes Problem. Wenn es erkannt wird, dann verschwindet das andere vielleicht von selbst!«
Das sollte wohl aufmunternd klingen, aber Beth spürte, wie ihre Isolation zunahm. Sie begann selbst an sich zu zweifeln und konnte es den anderen nicht übel nehmen, wenn sie ihr nicht glaubten.
Mrs. Richards war ihre einzige Verbündete gewesen. Was hatte die alte Frau ihr wohl vor ihrem Tod über die Puppen sagen wollen? Und welche Bedeutung hatte die geheimnisvolle Anlage im Wald, die sie am Todestag von Mrs. Richards entdeckt hatte? Waren Sonnenblumenaltar und die Pentagramme pure Einbildung?
Sie ging in den Wald, um sich vom Vorhandensein der Anlage zu überzeugen. Die Wälder hatten schon Farbe angenommen und kündeten vom Herbst. Ja, das waren die Pentagramme! In einem der Fünfecke wuchs ein Halm, der blutrot war. Als Beth näher trat, erkannte sie, dass es keine Herbstfärbung war.
Im hohen Gras lagen verstreut rotgefärbte Kleidungsstücke – weibliche und männliche die sorgfältig an heruntergefallene Zweige gespießt waren, damit der Wind sie nicht davon wehen könne.
Ihre nächste Entdeckung, dass das Rot nicht Blut, sondern nur Farbe war, machte die Szene nicht weniger makaber. Warum das alles? Sie wusste nur, dass damit etwas Schreckliches in die Wege geleitet werden sollte.
Die Drahtfiguren standen noch immer vor dem Altar. Diesmal kam ihr bei deren Anblick der Gedanke: das sollen Peter, Starla und ich sein!
Beth war überzeugt, dass Effie dahinter steckte. Sie musste unbedingt etwas unternehmen, ehe es zu spät war. Sie musste Effie auf die Schliche kommen. Wenn es sein musste, dann würde sie ihr an ihrem freien Tag nachspionieren, um endlich herauszubekommen, was sie in ihrer Freizeit trieb.
An einem Morgen – es war Effies freier Tag – stand Beth noch vor Sonnenaufgang auf. Leise zog sie sich an und wartete angespannt.
Bald hörte sie Bewegung in Effies Räumen, dann das öffnen und Schließen der Haustür.
Beth lief die Treppe hinunter. Von einem Fenster aus sah sie Effie über den Rasen gehen. Beth verließ das Haus durch die Hintertür und folgte Effie, indem sie sich, um nicht entdeckt zu werden, von einem Strauch und Baumstamm zum anderen schlich und sich versteckte. Sie fror und bereute, dass sie keine robusteren Schuhe angezogen hatte – aber zum Umziehen war es jetzt zu spät.
Effie hatte schon die Straße erreicht und blieb stehen. Worauf wartete sie? Man hörte Motorengeräusch, Scheinwerfer kamen näher. Ein Wagen hielt, und Effie stieg ein. Der Wagen fuhr weiter.
Beth war verblüfft. Aber was hatte sie denn eigentlich erwartet? Etwa einen Besenstiel? Sie lief zur Garage und riss das Tor
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