008 - Im Bann der Hexe
Sorgen machen, Flaschenkinder würden genauso gut gedeihen wie andere. Aber sie fragte ihn immer wieder und schließlich erfuhr sie, dass sie wohl überhaupt keine Milch produzieren könnte. Das war ein Schlag, aber schließlich hatte sie ja ihr Kind. Was danach kam war weitaus schlimmer.
Sie merkte an Peters Gesicht, dass irgendetwas nicht in Ordnung war, was er ihr nicht sagen wollte.
„Was ist los, Peter?“
Ihre Stimme klang so verstört, dass er rasch versuchte, sie zu beruhigen. „Nichts. Sie haben nur etwas Schwierigkeiten mit der Ernährung. Anscheinend haben sie noch nicht die richtige Zusammensetzung gefunden. Es bekommt ihr bisher alles nicht. Aber der Arzt sagt, dass so etwas oft vorkommt.“
Sie brachten das Baby nach Hause. Der Essensfahrplan für Starla wurde noch zweimal geändert, aber sie wurde von Tag zu Tag weniger und Beth und Peter waren machtlos. Sie standen morgens um zwei Uhr auf, um sie zu füttern und sich gegenseitig Mut zu machen. In dieser Zeit kamen sie sich sehr nahe. Einer konnte die Gedanken des anderen lesen, fast noch bevor er sie gedacht hatte. Schließlich brachten sie das Kind wieder zum Arzt. Er bat sie, Platz zu nehmen und schloss die Tür.
„Starla reagiert ungewöhnlich auf tierische Produkte“, erklärte er ihnen. „Sie braucht Muttermilch.“
Sie lasen in seinem Gesicht den Ernst der Lage ab.
„Ist es denn möglich, künstliche Muttermilch herzustellen?“ fragte Peter.
„Soweit ist die Wissenschaft leider noch nicht.“
„Was können wir dann tun?“
„Wir müssen eine Amme finden. Das ist die einzige Möglichkeit, Ihre Tochter zu retten.“
Peter fuhr Beth nach Hause, ließ Mutter und Kind im Kinderzimmer und ging dann wieder fort. Beth saß am Boden neben der Wiege, den Kopf an das Holz gelehnt. Ihr Kind musste sterben – ihretwegen – weil ihr Körper sich weigerte, seine normale Funktion zu erfüllen. Sie verfluchte ihre Hilflosigkeit und die Grausamkeit der Natur, und als es dunkel wurde, brach sie in eine Flut von Tränen aus.
Peter kam erst spät in der Nacht zurück und gleich ins Kinderzimmer.
„Ich habe alle Krankenhäuser benachrichtigt und auch die Gesundheitsbehörden“, berichtete er und ließ sich erschöpft neben Beth nieder. „Sie wollen alle versuchen, uns zu helfen. Ich habe auch Anzeigen in allen kleinen und großen Zeitungen aufgegeben. Mehr kann man nicht tun.“
Den nächsten Tag verbrachten sie in höchster Anspannung. Beide sprangen jedes Mal auf, wenn das Telefon klingelte, doch keiner der Anrufe galt Starla. Gab es nicht irgendwo eine Mutter, die ihr Kind nährte und genügend Milch und Mitgefühl besaß, um auch dieses Kind an die Brust zu nehmen? Offensichtlich nicht. Jedenfalls brachte ihnen auch der zweite Tag keine Lösung. Das Baby weinte kläglich. Selbst das Atmen schien Starla nun schwer zu fallen. Peter konnte es schließlich nicht mehr mit ansehen.
„Wir müssen sie zurück ins Krankenhaus bringen“, sagte er. „Dort können sie sie in den Brutkasten legen!“
„Nein!“
„Beth, werde nicht hysterisch! Wir müssen sie zurückbringen. Wir wollen doch, dass sie am Leben bleibt. Mach sie zurecht!“ Seine Stimme verriet, dass er keine Widerrede dulden würde. Erleichtert sprang Beth daher auf, als sie ein leichtes Klopfen an der Tür hörte.
Doch schon auf halber Treppe war sie nicht einmal mehr sicher, ob es überhaupt geklopft hatte. Vielleicht hatte nur ein Laden geklappert?
Durch das Glasfenster in der Tür sah sie tatsächlich eine weibliche Silhouette. Es war ein grob geschnittenes Profil, das von strähnigem Haar umrahmt wurde.
Beth riss die Tür auf.
„Ja?“ Es war mehr ein Schluchzen, als eine Frage. Kalte braune Augen starrten sie an. Vor der Tür stand eine ungepflegte Frau in einem schlecht sitzenden Mantel, mit einem Schal um den Kopf und mit schwarzen Galoschen, aus denen ihre fetten Waden wie Würste hervorquollen.
„Ja, was wollen Sie?“
„Ich heißt Effie Saxon. Ich komme auf Ihre Anzeige hin. Ich verlange Wohnung und Verpflegung und vierzig Dollar im Monat.“
Sie beeilten sich, alle ihre Wünsche zu erfüllen. Ein paar Räume, in denen einmal eine Köchin gewohnt hatte, konnten hergerichtet werden. Effie bekam ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, ein Bad und sogar eine kleine Küche. Sie nickte zu allem zustimmend.
„Und Ihr eigenes Kleines kann im Kinderzimmer untergebracht werden“, schlug Beth vor. „Die beiden Kinder werden Spielgefährten sein.“
„Ich habe kein
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