0080 - Augen des Grauens
meinen Anzug verlassen.
Irgendeine Kraft führte es, und es sah schaurig aus, als es die Tasche verließ, ein Stück von der Jacke wegschwebte und in der Luft stehenblieb.
Das Auge leuchtete grell weiß!
Heller als der Mond und heller als eine Flamme. Aber es strahlte kein Licht aus, die Strahlen konzentrierten sich nach innen. Die vorher dunkel gewesene Pupille hatte auch jetzt eine helle Farbe angenommen.
Es schien, als zögere das Auge, um einen neuen Befehl zu bekommen, und in der Tat schwenkte es plötzlich ruckartig zur Seite. Ich lag weiterhin auf dem Bett und merkte nichts davon.
Das Auge schwebte hoch zur Decke. Es verharrte dort einen Augenblick, wandte die Pupille dem Fenster zu, und dann änderte sich plötzlich das Bild innerhalb der Rundung.
Die Pupille zeigte eine Gestalt.
Den Henker!
Nur schwer war er in dem Auge zu erkennen. Er bewegte sich nicht.
Plötzlich strahlte das Auge wieder grell auf, und ein Lichtstrahl schoß wie eine Brücke aus der Pupille, durchdrang die Scheibe und fiel nach draußen in den Garten, wo er sich zwischen den Büschen verlor.
Diese Lichtbrücke wirkte wie ein Katalysator, wie ein Beschleuniger, denn plötzlich stand der rote Henker innerhalb des Gartens.
In Lebensgröße!
Hart hielt er mit der rechten Hand sein Richtschwert umklammert. Er hatte den Arm halb erhoben, und es sah so aus, als würde er jeden Moment zuschlagen.
Noch bewegte sich der Henker nicht, Die Horrorgestalt aus der anderen Dimension mußte sich erst mit ihrer Umgebung vertraut machen. Dann aber schob er sein rechtes Bein vor, drehte sich, und im gleichen Moment verschwand die Lichtbrücke.
Das Auge schwebte zu Boden.
Der Henker aber blieb innerhalb des Gartens.
Und ich schlief noch immer.
Die Horrorgestalt fuhr mit ihrem Schwert einmal von oben nach unten. Es war eine huschende, kaum zu erkennende Bewegung, die anzeigte, wie ausgezeichnet der Henker sein Schwert führen konnte.
Der Henker setzte sich in Bewegung.
Sein Ziel war das Fenster, hinter dessen Scheibe sich undeutlich die Konturen meines Körpers abzeichneten…
***
Nicht nur Jane, Bill oder ich waren unruhig. Es gab noch jemanden im Haus, der in dieser Nacht nicht schlafen konnte.
Der kleine Johnny Conolly!
Er ahnte mit dem Instinkt eines Kindes, daß etwas geschehen war. Seine Mutter war weg, den Grund hatte ihm Daddy zu erklären versucht, doch der Junge hatte sich nur äußerlich damit zufriedengegeben. In seinem Innern dachte er anders.
Etwas stimmte nicht, das spürte er.
Es war eine Unruhe, die den kleinen Johnny befiel und die er sich nicht erklären konnte.
Er schlug die Augen auf.
Johnny lag in seinem Kinderbettchen. Ein hohes Gitter schützte ihn vor dem Hinausfallen, aber Johnny war ein munteres Kerlchen und schon mehr als einmal auf Entdeckungsreise gegangen, das heißt, er hatte sein Bett öfter allein verlassen.
Johnny richtete sich auf.
Er wandte den Kopf nach rechts und schaute durch die bunten Gitterstäbe.
Sein Zimmer lag im Dunkeln, nur schwach erkannte er die Umrisse der Tür, er sah das Schimmern der Klinke, und seine Sehnsucht, die Mutter wiederzusehen, wurde plötzlich ungeheuer groß.
Johnny stand auf.
Zweimal fiel er hin, weil die Matratze zu sehr nachgab. Dann aber hatte er es geschafft.
Er legte seine kleine Hand auf den obersten Gitterstab, trat nah an den Rand des Bettes heran und hob sein rechtes Bein. Johnny schwang es über das Gitter, rutschte weiter und saß schließlich auf der Kante.
Er war für sein Alter schon ziemlich groß und auch kräftig gebaut, so daß es ihm kaum Mühe bereitete, sich an der Außenseite des Bettes zu Boden fallen zu lassen.
Doch da knickte Johnny in den Knien ein und setzte sich auf den Hosenboden.
Er erschrak, und sein Gesicht verzog sich. Es sah so aus, als würde er anfangen zu weinen, doch Johnny hielt seine Tränen zurück. Und er stand auf.
Dabei beugte er seinen Oberkörper nach vorn, stützte die Beine durch und stand.
Nur mit seinem kleinen Schlafanzug bekleidet und barfuß tappte Johnny zur Tür.
Die Klinke war hoch, bald zu hoch für ihn.
Johnny hob seinen Arm und versuchte, sie zu erreichen. Es kostete ihn viel Mühe, dann berührten seine winzigen Fingerspitzen das Metall, doch er rutschte ab und fiel hin.
Der Kleine krabbelte wieder auf die Beine.
Ein nächster Versuch. Diesmal stützte er sich mit der linken Hand an der Tür ab, dann berührten seine Finger abermals die Klinke und drückten sie herunter.
Sie rutschte ihm aus
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