0080 - Augen des Grauens
gerufen.«
Die Antwort ging mir durch und durch.
Zusammen mit Jane Collins betrat ich den großen Livingroom. Dann sah ich Bill. Er stand neben dem Kamin und war nur noch ein Schatten seiner selbst.
Er nahm mich gar nicht wahr. Erst als ich ihn direkt ansprach, hob er den Blick.
»John!« Seine Stimme klang rauh und flüsternd.
Rote Augen schauten mich an. In ihnen lag ein gequälter Ausdruck, und ich erkannte, daß mein Freund geweint hatte. Bill schien um Jahre gealtert zu sein. Seine Gesichtshaut war schlaff, und auf den Wangen hatten sich rote Flecken gebildet.
Mein Freund hatte Fieber.
Er war am Ende.
In mir stieg eine wilde Wut und ein heißer Zorn hoch, als ich Bill so sah. Und ich schwor mir, den oder diejenigen zu finden, die für seinen Zustand verantwortlich waren.
Ich ging auf ihn zu und legte ihm beide Hände auf die Schultern.
»Es tut mir leid«, sagte ich.
Bill nickte. Sprechen konnte er nicht.
»Können wir uns unterhalten? Bist du in der Lage zu antworten?« erkundigte ich mich.
Bill lächelte verloren. »Ich will es versuchen.«
»Dann setz dich.«
Wir nahmen im Sessel Platz. Jane fragte mich, ob ich was trinken wollte.
Ich entschied mich für Saft.
Die Detektivin brachte Bill ebenfalls ein Glas mit. Er faßte mit zitternden Händen danach. Der Aschenbecher zwischen uns quoll vor Kippen fast über.
Bill trank in kleinen Schlucken. Er leerte das Glas zur Hälfte und griff zu den Zigaretten. Die Schachtel war leer. Wütend zerknüllte er sie und schleuderte sie zu Boden.
Jane setzte sich auf die Couch und warf mir einen besorgten Blick zu.
Behutsam stellte ich die erste Frage. »Kannst du dir denken, weshalb Sheila verschwunden ist, Bill?«
Der Reporter hob den Kopf und sah mich an. Es kam mir jedoch vor, als würde er hindurchschauen.
»Bill!«
Mein Freund ballte die rechte Hand zur Faust und donnerte sie auf die Tischplatte. »Nein, zum Teufel, ich kann es mir nicht vorstellen. Es hat keinen Grund gegeben!«
Ich blieb ruhiger. Es war auch leicht für mich, die Nerven zu bewahren, denn ich war nicht so hautnah betroffen. »Es muß einen Grund gegeben haben, Bill!«
Er stierte mich an. »Welchen?« schnappte er.
»Das frage ich dich!«
»Soll ich dir jetzt vielleicht mein Eheleben darlegen?« schrie er. »Soll ich dir erzählen, wie es war mit ihr? Willst du wissen, ob wir Streit hatten wann und wie oft? Ich will dir eins sagen wir haben eine ganz normale Ehe geführt. Und es gab nicht mehr Streit als in tausend anderen Ehen auch. Deshalb hat Sheila keinen Grund gehabt wegzulaufen.« Er tippte sich gegen die Brust. »Aber ich – ich werde ebenfalls meine Konsequenzen ziehen. Ich lasse mich nämlich scheiden. Jawohl.«
»Aber das ist doch Unsinn«, sagte Jane Collins.
»Nein, es ist kein Unsinn.«
Bill war stur wie ein Büffel, und das gefiel mir überhaupt nicht. Mit ihm war kaum zu reden. Ich mußte es halt anders versuchen. »Kannst du dir eigentlich vorstellen, daß Sheila nicht freiwillig von hier fortgelaufen ist?«
Bill hob den Blick. »Wie meinst du das?«
»Nun, daß Sheila gezwungen worden ist, ihr Heim und damit dich zu verlassen«, präzisierte ich.
»Kann sein«, erwiderte er lahm, »Interessiert mich aber nicht.«
Jetzt schlug ich mit der Faust auf den Tisch. »Sag mal, bist du eigentlich so stur oder tust du nur so? Du kannst Sheila doch nicht fallenlassen. Vielleicht braucht sie gerade in diesen Augenblicken deine Hilfe. Und ich bin sicher, daß sie gezwungen worden ist dieses Haus und ihre Familie zu verlassen.«
»Niemand hat sie abgeholt.«
»Es gibt auch andere Mittel«, belehrte ich Bill Conolly. »Hypnose oder Fernhypnose. Denk daran.«
Bill raufte seine Haare und strich sich über das Gesicht. »Vielleicht hast du recht.«
»Bestimmt sogar«, mischte Jane Collins sich ein. »Jetzt tu uns den Gefallen und sei wieder vernünftig.«
»Was wollt ihr wissen?« fragte Bill.
»Ich habe dir die Frage schon einmal gestellt«, erwiderte ich.
»Nein, ich kann mir keinen Grund vorstellen.«
»Ist dir denn an Sheila in der letzten Zeit etwas aufgefallen? War sie anders als sonst? Stiller, in sich gekehrter?«
»Nicht daß ich wüßte.«
»Überlege genau, Bill. Erinnere dich an jedes Detail.«
Bill lehnte sich zurück. »Das ist verflixt schwierig«, murmelte er.
Da gab ich ihm recht. »Du darfst jetzt nicht aufgeben, Bill«, drängte ich.
»Ich nehme dann die Zeit nach unserem New Yorker Abenteuer«, sagte er. [1]
»Einverstanden.«
Bill
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