0080 - Augen des Grauens
Stimme klang nicht besonders fest.
Sie nickte, weil sie nichts anderes erwartet hatte. Dann befahl sie den Blinden: »Kommt näher!«
Die Männer kamen.
Der Glatzkopf löste sich aus der Gruppe und ging zwei Schritte vor, während die anderen sechs hinter ihm eine Formation bildeten. Sie gingen wie Roboter und blieben erst stehen, als sie das Kopfende des langen Tisches erreicht hatten.
Ich blickte an ihnen vorbei und auf die Fläche, die der Vorhang freigegeben hatte.
Sie war schwarz.
Pechschwarz sogar, aber es kam mir vor, als wäre sie nicht zweidimensional, sondern drei- oder sogar vierdimensional. Sie ging in Hie Tiefe, in einen unergründlichen lichtlosen Raum, den man nicht erfassen, viel weniger begreifen konnte.
Stand ich hier abermals vor einem Tor in die andere Welt?
Ada Adamic hatte meinen Blick bemerkt, und sie lachte. »Es ist dir ein Rätsel, nicht wahr?«
Ich nickte.
»Ja. Dieses Dimensionstor ist ein Sprungbrett für den Dämon der tausend Augen.«
Meine Neugier war geweckt. »Wer ist das?« wollte ich wissen.
Sie schaute mich verächtlich an. Die Gesichtsfalten hatten sich noch tiefer in ihre Haut gegraben. Der dünnlippige Mund erinnerte an einen Strich und bewegte sich kaum, als sie sprach.
»Ich kann es dir ruhig sagen, Sinclair, da du mit deinem Wissen doch nichts mehr anfangen wirst. Der Dämon der tausend Augen lebt auf einer schaurigen Jenseitswelt. Er ist der Beobachter, der Melder, denn auch in den anderen Reichen gibt es Gesetze, die eingehalten werden müssen. Du weißt selbst, daß Schwarzblütler gegeneinander Kriege führen und sich um ihre Welten streiten. Der Dämon mit den tausend Augen steht zwischen ihnen. Er beobachtet sie und meldet, wenn jemand aus der Reihe tanzt. Er weiß viel, kennt Hintergründe und hat die Kenntnisse einer Ewigkeit in sich vereint. Viele sagen, daß er schon immer da war, aber keiner weiß genau, auf welcher Seite er steht. Durch ihn, so hörte ich, kann man in die Zukunft schauen. In seinen Augen siehst du Szenen aus deinem zukünftigen Leben. Wer ihn ruft und beschwört, bekommt nur die Augen von ihm zu sehen, die dann Bilder zeigen, die sich erst in der Zukunft ereignen werden. Ich habe ihn beschworen, und er ist innerhalb des Dimensionstores erschienen. Er war bereit, meine Wünsche zu erfüllen.«
»Was wolltest du von ihm?« fragte ich.
»Sein Wissen.«
»Gab er es dir?«
»Ja und nein.«
»Ich verstehe nicht.«
Ada lächelte. »Ich habe ihn zwar beschworen, aber er will in seinen Dimensionen bleiben, doch durch die Beschwörung ist es mir gelungen, einen seiner Helfer auf diese Welt zu bekommen. Ein Wesen, das mich in die Zukunft schauen lassen wird, so daß ich einen Teil der Fähigkeiten besitzen werde. Und dieses Wesen ist bereits da. Es hält sich unter dir auf, im Keller.«
»Dann hast du also erreicht, was du wolltest?« fragte ich.
»Nein, nicht ganz.«
»Und wieso?«
»Ein Dämon wird nie etwas ohne Gegenleistung tun. Die Fähigkeiten, die er in der anderen Dimension besaß, müssen auf dieser Welt erst noch geweckt werden. Das heißt, die Sehkraft der Menschen, verbunden mit seiner Magie, werden es mir ermöglichen, meinen Traum zu erfüllen.«
»Mit anderen Worten, du hast das Augenlicht der Menschen dem im Keller steckenden Dämon geopfert?«
»Ja.«
Obwohl ich auf die Antwort vorbereitet war, erschrak ich doch. Was war diese Frau für eine Bestie. Ihr Menschsein hatte sie völlig ausgeschaltet. Sie war nur noch eine Hülle, ohne Gefühle und auch ohne Seele.
Sie widerte mich an.
»Willst du die Geschichte weiterhören?« fragte sie mich.
»Natürlich.«
»Okay, dann hör zu. Die Menschen, die ihr Augenlicht dem Dämon gegeben haben, bleiben in diesem Heim. Irgendwo müssen sie ja unterkommen, und ich kümmere mich um sie. Ich und meine Helfer haben die Menschen willkürlich ausgewählt, und unter ihnen befand sich auch diese Sheila Conolly. An sie sind wir allerdings bewußt herangegangen, weil sie das schwächste Glied innerhalb des Sinclair-Teams ist, wie wir meinen.«
»Was ist mit ihr geschehen?« fragte ich.
»Du wirst sie gleich sehen«, erwiderte Ada Adamic. »Keine Sorge.«
»Ist sie ebenfalls blind?« Ich hakte nach, wollte endlich über Sheilas Schicksal Bescheid wissen.
»Gedulde dich noch«, wies die Frau mich ab. »Sie befindet sich ganz in der Nähe, wie auch ihr Mann.«
»Und wo ist er?«
Ada Adamic deutete mit dem Daumen nach unten. »Im Keller. Er ist unfreiwillig dort gelandet und
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