0080 - Ich und die Zeitungshyänen
glaubte ihm kein Wort, und ich rechnete mit allem, selbst damit, dass er versuchen würde, mich unterwegs aus dem Flugzeug zu werfen, obwohl das technisch so gut wie undurchführbar war.
»Beeilen wir uns«, sagte er. »Die Maschine startet in einer knappen Stunde.«
Draußen wartete das Taxi, mit dem er gekommen war. Ich tastete nach der Websterpistole in meiner Brusttasche. Sie vermittelte mir ein beruhigendes Gefühl.
Das Taxi war wirklich ein Taxi. Der Chauffeur war echt, und er fuhr uns korrekt zum Flugplatz. Coon besaß Karten für die planmäßige Maschine nach Washington. Viertel nach neun schwebten wir bereits über dem Lichtermeer von New York.
Das Flugzeug war schwach besetzt. Coon und ich saßen nebeneinander. Die Stewardess hatte Platten mit Sandwiches vor uns hingestellt und für jeden zwei Drinks, die im Flugpreis inbegriffen waren.
Clearance aß mit gutem Appetit. Seine Handbewegungen waren unsicher, und auch auf dem ganzen Weg hatte er sich mehr oder weniger von mir führen lassen. Er spielte die Rolle des halb Blinden mit solcher Konsequenz, dass ich beinahe an meinem Unglauben irre wurde.
»Scheußlich, wenn man schlecht sehen kann«, sagte er zwischen zwei Sandwiches. »Ich werde in Zukunft immer auf fremde Hilfe angewiesen sein.«
»Sind Sie schon lange kurzsichtig?«, fragte ich.
»Seit Jahrzehnten, aber es ist immer schlimmer geworden.«
»Wer hat Ihnen früher geholfen?«
Er hob kurz den Kopf. »Selbstverständlich mein Bruder. Wir konnten auf jeden Fremden verzichten. Jetzt muss ich mich nach einem anderen Mann umsehen, dem ich vertrauen kann.«
»Soll ich das sein?«, fragte ich.
»Mal sehen, wie du dich anstellst«, antwortete er gelassen. »Cooley hat mir erzählt, dass du ein scharfer Bursche bist, aber für mich kommt eg nicht nur auf die Schärfe, sondern auch auf die Geschicklichkeit und vor allen Dingen auf die Treue an.«
Wir schwiegen eine Weile. Dann schnitt ich ein neues Thema an.
»Warum haben Sie sich eigentlich mit Lender geeinigt, Chef? Mit einigen handfesten Burschen hätten Sie ihn und seine Bande leicht erledigen können.«
»Ich bin noch nicht lange wieder in New York«, antwortete er. »Es ist nicht einfach, eine Gang auf die Beine zu stellen, die wirklich etwas taugt. Handfeste Burschen, die kalt genug sind, einen Krieg rasch und hart zu erledigen, findet man nicht im Handumdrehen. Lender ist da im Vorteil. Seine Gang steht. Wenn ich es auf einen Kampf hätte ankommen lassen, so hätte ich den kürzeren gezogen.«
»Warum haben Sie es nicht mit mir versucht?«, fragte ich kühn.
»Mit dir?«, fragte er mit einem Unterton von Hohn, setzte aber dann gelassen fort: »Du bist ein einzelner. Um Lender und seine Gang zu erledigen hätte ich eine Bande von gleicher Stärke benötigt.«
»Oder eine gut treffende Bombe.«
Er nickte. »Ja, das hätte auch genügt. Es stand für mich fest, dass Criss nicht allein zum alten Zollhaus kommen würde. Wenn die Bombe ihn und zwei oder drei seiner Leute tötete, wäre der Fall erledigt gewesen. Aber ein zweites Mal konnte ich ihn nicht in die gleiche Falle locken. Also musste ich mich mit ihm einigen.«
»Noch ’ne Frage, Boss. Cooley hat einmal dafür gesorgt, dass ich eine Tracht Prügel von Andy Brew bekam. Dabei trat ein Manager in Erscheinung. War das Ihr Bruder?«
»Keine Ahnung«, antwortete er. »Um solche Kleinigkeiten kümmere ich mich nicht. So etwas erledigten mein Bruder und Cooley selbstständig.«
Wir landeten in den ersten Morgenstunden in Washington. Coon ließ uns zu einem Hotel fahren, in dem er Zimmer bestellt hatte.
»Schlaf ein paar Stunden, Jack«, sagte er, »und sei um elf Uhr zum zweiten Frühstück im Salon.«
***
Als ich ein paar Stunden später hinunterkam, saß er schon am gedeckten Tisch. Ich trank zwei Tassen Kaffee.
Als ich mir die Zigarette anzündete, fragte er: »Hast du den Namen Evill Pyder gehört, Jack?«
Ich erschrak. Deckte er jetzt die Karten auf?
»Nein«, sagte ich.
Er fingerte eine Zigarre aus der Brusttasche.
»Ich dachte, du hättest ihn vielleicht in den Zeitungen gelesen. Er war ein Beamter, der Selbstmord beging. Ich habe es nicht gern, wenn die Leute etwas so Dramatisches tun. Für uns ist es kein Geschäft. Außerdem macht es unliebsames Aufsehen.«
Er griff in seine Brieftasche und legte die Fotokopien von zwei Briefen auf den Tisch.
»Lies das!«, befahl er.
Ich überflog die Schreiben. Sie stammten von einer Frau, die Joan mit Vornamen hieß, und
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