0082 - Die Horror-Nacht
als Yard-Beamter habe ich doch so einige Tricks gelernt, mit denen hin und wieder Fesseln zu überlisten waren.
Ich begann sofort mit der Arbeit.
Der Lärm in meinem Kopf nahm langsam ab. Die Übelkeit dämmte sich ein. Ich kam zu neuen Kräften, die ich dazu verwendete, um mich so rasch wie möglich der Fesseln zu entledigen.
Geisterhafte Geräusche flogen durch den Wald.
Die Natur kam nicht zur Ruhe. Unheimlich schrie irgendwo ein Käuzchen. Ich hörte Flügelschläge.
Und plötzlich fiel mir dazu ein Name ein: Graf Morloff!
Schaudernd überdachte ich meine Situation. Anfangs hatte ich es für sinnlos gehalten, daß mich jemand hier im Wald an einen Baum gefesselt hatte.
Doch nun erkannte ich, daß das gar nicht so sinnlos war, wie es den Anschein hatte. Der Kerl, der mich niedergeschlagen hatte, verfolgte damit einen ganz bestimmten Zweck.
Ich sollte dem Vampir vorgeworfen werden.
Und wieder hörte ich diese flappernden Flügelschläge. Mir war, als hätte mir jemand eiskaltes Wasser über den Kopf geschüttet.
Kam bereits der Vampir, um mir seine dolchartigen Zähne in die Kehle zu schlagen und mein Blut zu trinken?
Mein Mund trocknete aus.
Schlich das blutrünstige Schattenwesen hier irgendwo durch die Dunkelheit? Wenn er jetzt an mich herantrat, war ich unweigerlich verloren.
Es wäre mir unmöglich gewesen, seinen Angriff abzuwehren. Ich wäre für ihn eine leichte, sichere Beute gewesen.
Da knackte plötzlich ein Ast, und mir stockte der Atem…
***
Der Vampir erwachte.
Er riß die Augen auf und spürte sofort die Nähe eines Opfers. Noch lag er in seinem steinernen Sarkophag. Doch seine Gier nach Blut drängte ihn, den steinernen Schrein, in dem er die Tage verbringen mußte, zu verlassen.
Langsam hob er die Hände.
Seine Finger krallten sich um den Sarkophagrand. Totenfinger waren es. An einem davon trug der Blutsauger einen kantigen Siegelring, der das Wappen der Morloffs zeigte.
Der Untote vernahm ein leises Ächzen.
Sein bleiches Gesicht nahm einen grausamen Ausdruck an. Das Opfer regte sich. Graf Morloff störte das nicht. Für den Menschen, der sich in seiner Gruft aufhielt, gab es kein Entrinnen mehr.
Claus-Dieter Krämer massierte seinen schmerzenden Kopf. Er lag auf dem glatten, kalten Marmorboden und hatte das Gefühl, sich sämtliche Knochen gebrochen zu haben.
Benommen fragte er sich, wo er sich befand.
Lydia und Harry fielen ihm ein. Er erinnerte sich, mit ihnen gegessen und getrunken zu haben. Vor allem getrunken…
Und dann hatte ihn Garco gebeten, ihm zu helfen. Nach dem großartigen Mahl hatte sich Krämer geradezu verpflichtet gefühlt, mit Garco zu gehen.
Aber Garco hatte seine Hilfe nicht gebraucht. Er hatte ihn lediglich von den andern fortgelockt, um ihn ohne deren Wissen ausschalten zu können.
Und nun lag er hier in dieser Finsternis…
Claus-Dieter Krämer stutzte. War da nicht eben ein leises Geräusch in der Dunkelheit gewesen? Hatte sich nicht soeben jemand bewegt?
Krämer erhob sich. »Ist da jemand?« flüsterte er.
Seine Stimme geisterte durch den Raum. Doch niemand antwortete ihm.
Er tastete sich nervös durch die Dunkelheit. Mit dem Fuß stieß er gegen eine Stufe. Er blieb stehen, faßte in die Hosentasche, holte sein Gasfeuerzeug hervor und schluckte es an.
Da traf ihn der Schock mit der Wucht eines Keulenschlages.
Er stieß einen heiseren Schrei aus und torkelte zurück. Sein Blick war auf einen grauen Sarkophag gefallen.
Der steinerne Totenbehälter verfügte über keinen Deckel.
Bleiche Hände klammerten sich an den Rand, und die in den Stein gemeißelte Inschrift bekundete, daß dies die letzte Ruhestätte von Graf Morloff war.
Claus-Dieter Krämer war schlagartig stocknüchtern.
Entsetzt wich er vor dem Sarkophag zurück. Im gleichen Augenblick richtete sich der unheimliche Blutsauger auf.
Eine erschreckende Gier nach Blut funkelte in seinen dunkelrot geäderten Augen. Das blasse Gesicht des Untoten drückte eine unvorstellbare Grausamkeit aus.
Claus-Dieter Krämer starrte das Scheusal entsetzt an. Es stimmte also doch, was die Leute erzählten.
Garco hatte gelogen!
Es gab ihn wirklich, diesen schrecklichen Blutgrafen, der mit seinem tödlichen Biß den Keim des Bösen in seine Opfer pflanzte, damit auch sie zu Schattenwesen wurden – genau wie er.
Krämer schüttelte verzweifelt den Kopf. »Nein!« preßte er verstört hervor. »Nein!«
Der Vampir verließ den Sarkophag. Hoch aufgerichtet stand er da. Sein schwarzer Umhang,
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