0084 - Das Buch der grausamen Träume
eine Waffe gegen Dämonen der höheren Rangordnung, zerstörte das schleimige Wesen vor mir. Die Kraft des geweihten Silbers breitete sich gedankenschnell aus, und das Monster löste sich zu langen Schlieren auf, die von der Strömung davongetrieben wurden.
Blieb noch das zweite.
Ich drehte mich um, damit ich nach Suko schauen konnte, doch Julia de Fries hatte aufgepaßt. »Da ist er!« rief sie und deutete zum Bug des Kahns.
Jetzt sah ich ihn auch. Suko kämpfte verzweifelt mit dem Wasserwesen, das immer wieder versuchte und es auch schaffte, seinen Kopf unter die Oberfläche zu drucken.
Es sah schlecht aus für meinen Freund.
Ich hechtete abermals ins kühle Naß. Diesmal mit meinem Kreuz in der Faust.
Zwei Schwimmstöße brachten mich an das Monster heran. Zum Glück hatte es hinten keine Augen und sah mich nicht. Es war damit beschäftigt, Suko zu ertränken.
Das Wesen hatte beide Pranken um den Hals des Chinesen geklammert. Suko schlug zwar mit seinen Fäusten zu, aber er traf nur die weiche Masse und erzielte so gut wie keine Wirkung.
Da war ich heran.
Meine Faust schoß als gestochene Gerade aus dem Wasser und traf den Hinterkopf des Wesens.
Dieser Schlag reichte völlig.
Die Macht des Silbers zerstörte auch diesen dämonischen Unhold. Das fließende Wasser tat ein übriges. Es transportierte die schleimigen Reste weiter.
Suko keuchte und japste. Er schnappte wirklich nach Luft wie der berühmte Fisch auf dem Trockenen.
Ich paddelte zu ihm. »Bist du okay?«
»Ja.« Er spie Wasser aus.
Wir schwammen zum Boot. Dicht an der Bordwand hockte Julia de Fries und hielt die letzte Ruderstange schlagbereit in beiden Händen.
»Wir sind es nur«, sagte ich, umklammerte mit beiden Händen die Bordwand und zog mich ins Boot. Dann half ich Suko aus dem Wasser.
Julia de Fries war noch blasser als sonst. »Selten habe ich solch eine Angst gehabt«, gestand sie.
Suko war schon wieder obenauf. »Eine unserer leichtesten Übungen«, prahlte er, mußte aber dann husten, weil ihm das Wasser in die Kehle gedrungen war.
»Das kommt davon«, sagte ich und nahm Julia die Ruderstange aus der Hand.
Sie verstand uns nicht. »Daß Sie nach dieser Gefahr auch noch scherzen können…«
Ich lächelte. »Wissen Sie, Julia, wir haben schon so viel erlebt, daß manche Menschen ihren Verstand dabei verloren hätten. Aber eins haben wir immer behalten, unseren Humor. Hätten wir den nicht, dann hätte alles keinen Zweck, und unser Leben wäre ziemlich fad.«
Julia de Fries schaute mich an. Überrascht und staunend zugleich. »Diese Worte habe ich noch nie aus dem Mund eines Polizisten gehört«, gab sie zu.
»Vielleicht haben Sie nur die falschen kennengelernt.«
»Ja, mag sein.«
Ich nickte. »Okay, aber über dieses Thema können wir später noch diskutieren. Jetzt liegt noch eine andere Aufgabe vor uns. Die schwierigste überhaupt. Wir müssen dieser Hexe das Buch entreißen.« Ich tauchte das Ruder ins Wasser. »Freiwillig wird sie es bestimmt nicht hergeben.«
»Das glaube ich auch«, sagte Julia de Fries.
***
Fünf Minuten schwiegen wir. Suko fragte dann, ob wir an der Insel anlegen sollten.
Ich nickte. »Sicher. Diese verdammte Hexe soll sehen, was sie erwartet.«
»Du bist ja sehr optimistisch«, meinte mein Partner.
»Wir werden sie schaffen«, sagte ich voller Überzeugung.
»Und das Buch?«
»Holen wir uns.«
Das Boot glitt ruhig durch das Wasser. Ich nahm nicht einmal das Ruder zu Hilfe. Die Strömung trieb uns auch so gegen die kleine Insel mit der windschiefen Hatte.
Diese Hütte sahen wir zuerst. Sie wurde von dem Licht völlig erfüllt. Auch nach draußen drang der Schein durch das Fenster und legte einen roten Teppich vor das Haus.
Die Hütte war nicht besonders groß. Die ganze Insel ebenfalls nicht. Das Gelände um die Hütte war mit Büschen bewachsen. Am Ufer stach ein schmaler Schilfgürtel aus dem Wasser.
Der Bug glitt in das Schilf.
Die Rohre teilten sich. Sie knickten zu beiden Seiten weg.
Schließlich lag der Kahn still.
Wir waren auch still. Ich warf Suko einen Blick zu, den er sofort verstand. Mein Partner kletterte an Land.
»Und ich?« wisperte Julia.
Ebenso leise gab ich die Antwort, wobei ich meine Lippen dicht an ihr rechtes Ohr brachte. »Sie bleiben hier und legen sich ins Boot. Sie rühren sich nicht, egal, was auch geschieht. Keine Bewegung, die Aufmerksamkeit erregen könnte!«
Julia de Fries nickte. Sie schaute mich an, warf plötzlich ihre Arme vor, umklammerte
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