0084 - Schreie in der Hexengruft
ebenfalls mit dunkelroten Rubinsteinen besetzt.
Sonja liebte diesen Schmuck und war stolz darauf, ihn zu tragen.
Es war ihr gleichgültig, ob es Wochentag oder ein hoher Feiertag war. Sie fühlte die Nähe ihres Verlobten, sobald sie den Schmuck anlegte.
An diesem Abend war der übliche Gesprächsstoff um ein Thema reicher geworden. Die Nachricht von den verschwundenen Mädchen hatte sich mit Windeseile verbreitet. Und seit heute Mittag wußte jedermann in der Stadt, daß der französische Professor, der Meister der Parapsychologie, diese Mädchen entdeckt und befreit hatte. Natürlich vergaß man nicht, den Schäfer zu erwähnen, der zuerst auf die Spur gestoßen war. Und auch Nicole Duval sowie die Lehrerin Jana waren im Gespräch.
»Wir müssen uns vorsehen«, sagte Sonja Bügüt zu ihrem Verlobten.
»Ach, du brauchst dich nicht zu fürchten«, beruhigte er sie. »Du bist ja immer in Begleitung, wenn du irgendwohin gehst. Entweder deine Mutter ist bei dir, oder du selbst bist bei mir. Was soll dir schon geschehen. Auch sehe ich keinen Grund dafür, warum diese elende Hexenbrut ausgerechnet hinter dir her sein sollte.«
»Die Leute erzählen sich, daß die Hexen Idrina und Marja von ihren Verlobten wegbringen wollten«, gab Sonja zu bedenken. »Bestimmt hassen sie jeden, der nicht aus diesem Land stammt. Stephan Rogza ist Ungar. Dem gönnen sie kein rumänisches Mädchen. Und Roslan Baraya, von dem du meinen herrlichen Schmuck hast, stammt aus Armenien. Die Leute sagen, daß die Hexen ihm vorwerfen, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.«
»Unsinn, Sonja«, sagte der junge Mann neben ihr, der seine Gedanken von so etwas nicht beschweren ließ. »Wer weiß, was diese unheimlichen Hexenwesen für einen Grund hatten. Sie können uns doch nicht verbieten, Geld zu verdienen, wenn wir fleißig genug sind.«
»Du bist ziemlich reich«, sagte Sonja Bügüt. »Und meine Vorfahren waren Türken. Man könnte sagen, ich hätte es auf dein Geld abgesehen. Und auch diese Hexenbande könnte auf den Gedanken kommen.«
»Und was hätten die verdammten Krücken davon?« ereiferte sich der junge Mann. »Komm, laß die dummen Gedanken. Es wird spät, Sonja. Ich bringe dich nach Hause.«
Das Mädchen nickte, und sie erhoben sich beide. Arm in Arm traten sie den Heimweg an.
Vor Sonjas Haus wurden dann aus einer Umarmung zehn, aus zehn Umarmungen wurden zweimal die letzten zehn, dann mußten sie sich endgültig trennen.
»Bis morgen«, sagte Sonja und öffnete die Gartenpforte.
Da hörte sie etwas im Gras rascheln.
»Was ist?« fragte der junge Mann.
»Ach, nichts. Ein Igel vielleicht. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, mein schöner Schatz«, sagte er in bester Laune.
»Schlafe was Schönes, träume was Schönes.«
Er winkte und ging. Aber er sah sich noch mehrmals nach dem Mädchen um.
Er sah, wie sie auf das Haus zuging, nach dem Schlüssel in ihrer Tasche suchte.
Als er sich zum letztenmal umdrehte, glaubte er, daß Sonja den Schlüssel bereits im Schloß hatte. Als er nach ein paar Schritten den markerschütternden Schrei hörte und zurücklief, kam er zu spät, um einzugreifen.
***
Sonja Bügüt hörte das leise Rascheln noch einmal. Sie gab nichts darauf. Erst, als es sich wiederholte, erschrak sie.
Es kam nicht vom Rasen her, wie sie vermutet hatte! Es mußte von den Büschen herkommen, die neben der linken Hausseite standen.
Und da war es noch einmal. Es kam nicht von einem Igel. Überhaupt nicht von einem Tier.
Was konnte es sein? Jetzt hörte es sich an, als schleiften Füße über den schmalen Kiesweg.
Hastig griff Sonja nach dem Schlüssel, sah sich nach der Straße um. Ihr Verlobter winkte ihr gerade noch einmal zu und ging dann weiter.
Hier, der Schlüssel.
Sonjas Hände zitterten und brachten den Schlüssel nicht in die Öffnung des Haustürschlosses.
Da fuhr von links ein Schatten heran, hoch aufgerichtet und hager.
Im nächsten Augenblick spürte Sonja den eisernen Druck einer knochigen Hand. Ekelerregend, hart und grausam.
Sonja spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte.
Dann wurde sie zur Seite gerissen. Andere Hände faßten nach ihr, packten sie brutal am ganzen Körper, rissen Sonja mit sich.
Nur einmal bekam das Mädchen durch eine plötzliche, verzweifelte Drehung ihren Mund frei. Sie schrie aus Leibeskräften.
Dann fühlte sie den ersten Schlag auf den Kopf.
Und sie schrie und hörte nicht auf.
Nochmals ein harter Schlag auf den Kopf.
Das letzte, was Sonja sah, war ein
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