0085 - Der Feuergötze
»Kompliment, ihr habt die Spur verdammt schnell gefunden!«
Nicole wollte und konnte sich nicht lange mit ihm aufhalten. Chedli entfernte sich immer weiter, hatte diese angebliche Tempelöffnung vielleicht schon erreicht.
»Lassen Sie uns vorbei, Mann«, sagte sie kühl. »Und wenn Sie vernünftig sind, gehen Sie gleich mit uns. Sie sollten inzwischen gemerkt haben, daß Sie und Ihr sauberer Boß mit gefährlichem Feuer gespielt haben!«
Ein überlegender Zug trat in sein Gesicht. Dann schüttelte er langsam den Kopf.
»Sidi Ahmed hat mir befohlen, niemanden in diesen Teil des Gartens zu lassen. Ich habe noch nie einen seiner Befehle mißachtet und werde es auch in Zukunft nicht tun. Geht zurück!«
Sturer Hund! dachte Nicole. Ihr war klar, daß er sie gewaltsam aufhalten würde. Schon straffte sich seine Gestalt.
Sie hatte ihre rechte Hand bisher auf dem Rücken verborgen. Jetzt holte sie sie blitzschnell vor und ließ sie nach vorne fliegen. Der Stein traf ihn an der Stirn.
Farhat taumelte. Seine Fäuste ballten sich. »Du hinterlistige, kleine…«
Nicole schlug zum zweiten Mal zu, nutzte den Umstand, daß ihn bereits der erste Schlag schwer erschüttert hatte.
Er geriet ins Torkeln, die Beine knickten ihm weg. Er brach zusammen und rührte sich nicht mehr.
Sofort beugte sich Nicole zu ihm nieder. Erleichtert registrierte sie, daß er nur bewußtlos war. Umbringen hatte sie ihn wirklich nicht wollen.
Sie richtete sich wieder auf. »Los jetzt, Ahlem!«
Das letzte Stück bis zu der Geröllwand liefen sie. Als die Felsen in ihrem Blickfeld auftauchten, sahen sie gerade noch, wie Chedli in einem gähnenden Loch verschwand.
Die junge Tunesierin rannte weiter. Nicole mußte sie gewaltsam festhalten.
»Langsam, Ahlem«, sagte sie. »Der Professor hat gesagt, daß wir kein Risiko eingehen sollen.«
Widerwillig blieb Ahlem stehen. Ihre Augen blitzten.
»Mademoiselle, Sie haben mich gerade gefragt, ob ich Angst habe. Ja, ich habe Angst. Ich habe auch Angst, in dieses Loch dort hineinzukriechen. Aber ich vergesse meine Angst. Es geht um meinen Vater, den ich liebe, obgleich er schändlich an Ihnen gehandelt hat. Und deshalb werde ich ihm folgen!«
Nicole überlegte, was sie tun würde, wenn beispielsweise Zamorra in einer ähnlichen Situation wäre wie der Vater dieses Mädchens.
Dann nickte sie. »Wir werden ihm folgen!«
Sehr wohl aber fühlte sie sich nach diesem Entschluß nicht.
***
Zamorra erreichte die Villa kurz nach dem Mann in der blutroten Robe. Djamaa war bereits durch die Terrassentür in der Halle verschwunden, als der Professor ebenfalls zur Stelle war.
Er sah den besessenen Leibwächter nicht. In der Halle hielt sich nur Ahlems Mutter auf. Sie stand mitten im Raum und verstand ganz offenbar überhaupt nichts mehr.
»Wo ist er geblieben?« fragte Zamorra sie ein bißchen außer Atem. Djamaa hatte auf dem Weg zur Villa ein scharfes Tempo vorgelegt.
»Wer?«
»Wer! Der Leibwächter Ihres Mannes natürlich, Madame!«
»Djamaa? Er ist da langgelaufen. Zu den Wirtschaftsräumen. Sagen Sie, Monsieur, was hat das alles…«
Zamorra hörte nicht mehr zu, rannte bereits in die Richtung, die sie ihm angezeigt hatte. Noch immer sah er den Mann in der roten Robe nicht.
Plötzlich hörte er einen furchtbaren Schrei, der ihm durch Mark und Bein ging, den Schrei einer Frau in höchster Todesnot.
Der Schrei war aus allernächster Nähe gekommen, aus einem geschlossenen Raum.
Zamorra sah mehrere Türen, riß aufs Geratewohl die erste davon auf. Er blickte in ein Zimmer, das mit allerlei Kartons, Gläsern und Büchsen vollgestellt war. Kein Mensch hielt sich in diesem Raum auf.
Die nächste Tür…
Er stand im Eingang einer hochmodern eingerichteten großen Küche. Töpfe und Pfannen blitzten. Kochschwaden stiegen zur Decke und wurden von einem wirbelnden Ventilator abgesaugt. Ein Wasserhahn lief.
Und inmitten dieser alltäglichen Szenerie präsentierte sich Zamorra ein Bild des Grauens.
Da war er, der Besessene. In seinen Armen hing eine schwarzhaarige Frau mittleren Alters. Ihr Kopf stand in einem seltsamen Winkel vom Hals ab. Sie war tot.
Erst jetzt sah Zamorra, daß noch jemand im Raum war. Entsetzt und zitternd kauerte ein junges Mädchen in der äußersten Ecke.
»Er… hat… sie getötet!« kam es wimmernd und stockend über ihre Lippen »Die… die arme Lu… Lucia!«
Die grausamen dünnen Lippen des Mörders teilten sich, formten ein unsagbar tückisches Lächeln.
»Ja, ich habe
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