0085 - Der Feuergötze
geheimnisvollen, unverständlichen Zeichen auf dem Amulett, sah das unheimliche, kalte Leuchten. Instinktiv spürte er, daß er hier etwas Feindliches, Bedrohliches vor sich hatte.
Widerstrebend nahm er den Gegenstand entgegen, dessen sofortige Entfernung der Herr Baal-Hammon gefordert hatte. Es brannte in seiner Hand, verursachte ihm körperliches Unwohlsein.
Schnell weg damit, sagte er zu sich selbst.
Er trat in den Tempeleingang, bog den Arm weit zurück und schleuderte das Ding so weit von sich, wie er nur konnte. Er blickte ihm nach und sah, wie es zwischen zwei Steinen aufschlug.
Und er sah noch etwas, etwas das ihm gar nicht gefiel. Dort unten näherten sich zwei Frauen. Schnell, sehr schnell. Sie liefen.
Baalyaton fuhr zurück, um von draußen nicht gesehen zu werden.
»Du hast meinen Befehl mißachtet«, fauchte er den feisten Mann an.
»Nein.«
»Doch! Ich hatte dir befohlen, jede Annäherung an das Heiligtum zu verhindern!«
»Ich habe getan, was ich konnte.«
Baalyaton dachte nach. Und lächelte plötzlich.
Warum nicht? Warum sollte er dem Herrn Baal-Hammon keine Frauen opfern? Eine Rächerin war genau so wertvoll wie ein Rächer!
Er wandte sich um, winkte mehreren Priestern. Mit kurzen schnellen Worten machte er sie mit der Sachlage vertraut.
Wenig später hatten alle Priester und Jungfrauen Sichtschutz gesucht. Dem feisten Mann war befohlen worden, im rückwärtigen Teil des Tempels zu warten, bis seine Dienste wieder gebraucht wurden. Für jeden Fremden, der den Tempel betrat, mußte er völlig leer erscheinen.
Baalyaton selbst lauerte in der Nähe des Eingangs. Er nahm die Frauen als erster wahr, hörte kratzende Geräusche auf den Felsen, hörte gepreßtes Atmen und gezischte Worte.
Sie schoben sich durch die Öffnung, zwei junge Mädchen, schön von Gestalt und Gesicht. Der Herr Baal-Hammon würde zufrieden mit den Opfern sein.
Die jungen Frauen blieben in der Nähe des Eingangs stehen, blickten in den Tempel hinein. Ausrufe des Erstaunens, des Schreckens drangen an Baalyatons Ohr. Endlich gingen sie mit zögernden Schritten vorwärts.
Baalyaton gab das Zeichen.
Von allen Seiten stürmten die Priester auf die beiden jungen Frauen los.
In Sekundenschnelle waren sie überwältigt.
Irrte sich Baalyaton, oder loderten die Flammen des ewigen Feuers schon höher?
***
Im Sprintertempo jagte Zamorra den Gartenpfad hinunter. Mit den Gedanken war er schon ganz in diesem Götzentempel, an dessen Existenz ja jetzt nicht mehr zu zweifeln war. Wenn die Entfernungsangaben des Mädchens Ahlem stimmten, dann hatte er noch ungefähr zweihundert Meter bis zum Ziel zurückzulegen.
Deshalb war er völlig überrascht, als es plötzlich kurz vor ihm im Gebüsch aufblitzte. Sein Instinkt rettete ihn. Gedankenschnell ließ er sich nach vorne fallen. Etwas pfiff haarscharf über seinen Scheitel hinweg. Das Krachen des Schusses ertönte erst, als er bereits auf dem Boden lag.
Er rollte hinter eine Agave, griff gleichzeitig nach seinem Revolver.
Wieder blitzte es auf. Der Schuß riß eines der breiten, fleischigen Blätter der Pflanze auf. Zamorra machte den Schützen aus. Er lauerte hinter einem Felsbrocken, die rauchende Pistole in der Hand.
Der Professor sah keine andere Möglichkeit. Er mußte in diesen Tempel, durfte sich unter gar keinen Umständen aufhalten lassen. Seine Hand, die den Revolver hielt, zuckte hoch. Er schoß.
Und traf.
Ein röchelnder Aufschrei brach sich Bahn. Der Professor sah, wie die Gestalt hinter dem Felsen zusammenklappte und aus seinem Blickfeld entschwand.
Er wartete ein paar Sekunden, richtete sich dann vorsichtig auf. Es fiel kein Schuß mehr.
Wie ein Panther federte er hoch und sprang zu dem Felsen hinüber.
Es bestand keine Gefahr mehr. Vor ihm lag ein Toter - der zweite Leibwächter Chedlis.
Achselzuckend wandte er sich ab. Der Mann hatte das Schicksal herausgefordert, und das Schicksal hatte ihn besiegt.
Weiter - dem Tempel entgegen.
Und dann sah er das Loch in den Felsen. Es erschien ihm wie eine dunkle Drohung.
Wo waren Nicole und Ahlem?
Er rief ihre Namen, bekam keine Antwort. Leise fluchte er vor sich hin. Er ahnte, wo die beiden Mädchen geblieben waren: In diesem düsteren Loch, hinter dem die Ungewißheit lauerte.
Mit fester Hand umklammerte er den Revolver. Er wußte nicht, was ihn erwartete. Aber er wußte etwas anderes: Er mußte ebenfalls den Schritt ins Ungewisse wagen.
Er lief auf die Felsenwand zu, jederzeit auf einen Angriff
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