0087 - Die Schläfer der ISC
beauftragt hatte, keine festen Anhaltspunkte liefern konnte, würde er seinen Plan fallenlassen.
Kennof vertrieb einige Jungen von seinem parkenden Wagen, die durch die abstrakte Lackierung des Fahrzeuges offensichtlich fasziniert waren, und startete gedankenvoll den Motor. Er warf einen letzten Blick auf das Ministerium: ein imposantes Gebäude aus Glas, Stahl und Beton. Als er davonfuhr, wußte er noch nicht, daß Cascane eine ausgesprochene Überraschung für ihn bereithielt.
Edmond Cascane, ein nahezu kahlköpfiger, älterer Mann mit flinken Mausaugen, packte einen Berg Papier vor Kennof auf den Tisch. Er schnaufte und wischte sich eine imaginäre Schweißschicht aus dem Gesicht. Kennof gönnte ihm einen mitleidigen Blick und begann, in dem Stapel herumzuwühlen.
„Das meiste davon ist ziemlich uninteressant", bemerkte Cascane mit dem nachlässigen Tonfall eines Mannes, der eine faustdicke Sensation in Reserve hat. Er beobachtete lauernd, wie Kennof die Akten von sich schob.
„Also, heraus damit, Ed!" befahl er. Cascane fischte ein einzelnes Blatt aus seiner Jackentasche und wedelte damit vor der Nase seines Chefs herum. Obwohl Kennof wieder in seinen gelben Hausmantel gehüllt war, gelang es ihm, sich in den Besitz von Cascanes Geheimnis zu setzen.
„Das besagt nur, daß ein gewisser Fedor Piotrowski bei dem Versuch, sein Examen als Doktor der Medizin zu machen, mit Pauken und Trompeten durchgerasselt ist", sagte Kennof enttäuscht, nachdem er gelesen hatte.
„Der gleiche Mann sitzt im Yellowstone-Nationalpark einige Meter unter der Erde und betreut als Doktor Piotrowski die Schläfer der ISC", sagte Cascane bedeutungsvoll. „Was sagst du dazu?"
Kennof rieb nachdenklich sein umfangreiches Kinn.
„Er könnte die Prüfung nachgeholt haben", wandte er ein.
Der Hilfsdetektiv schüttelte sein unschönes Haupt.
„Hat er nicht. Dick. Ich habe es bereits von allen Seiten beleuchtet. Piotrowski muß sich falsche Papiere beschafft haben, um bei der ISC unterzukommen."
„Oder die ISC hat ihm welche organisiert", sagte Kennof.
„Unser falscher Doktor kommt aus Kanada", berichtete Cascane weiter. „Er hat alle Brücken hinter sich abgebrochen. Niemand weiß in seiner Heimat, wohin er verschwunden ist."
Kennof hieb entschlossen auf den Tisch.
„Das ist entscheidend", sagte er, „ich gehe nach Wyoming."
„Alles andere sind Ausschnitte aus Zeitungen", sagte Cascane mit einem schwachen Versuch, seinen Vorgesetzten auf den Papierberg aufmerksam zu machen. „Außerdem findest du meine Berichte über Gespräche mit Leuten, die schon mit der ISC zu tun hatten."
Aber Kennof überlegte bereits, wie er seine wichtigen Geräte ungesehen in den Höhlen verstecken konnte, wenn er erst dort war. Das Problem wurde akut, als sich zwei Tage später die ISC meldete und den Detektiv aufforderte, nach Cheyenne zu kommen.
4.
M'Artois stand am Fenster und hatte Richard Kennof den Rücken zugewandt. Der Detektiv fühlte sich in seiner Haut nicht besonders wohl. Der Psychologe war mit allen Wassern seines Berufs gewaschen.
Hinter seinem Wohlwollen verbarg sich eine wunderbare Auffassungsgabe, gepaart mit einem unwahrscheinlichen Kombinationsvermögen. Kennof erkannte die Fangfrage des ISC-Mannes manchmal erst im letzten Moment. Nur die Tatsache, daß er bei der Solaren Abwehr selbst einer psychologischen Schulung beigewohnt hatte, rettete ihn vor einem Versagen.
Immer mehr gelangte Kennof zu der Überzeugung, daß es sich hier weniger um einen Versuch der Gesellschaft handelte, die Lebensmüden für diese Welt zu begeistern, als um ein regelrechtes Verhör.
M'Artois bohrte sich durch alle Regionen von Kennofs erfundenem Privatleben hindurch und scheute auch vor indiskreten Fragen kaum zurück. Verschiedentlich war Kennof bereits ins Schwitzen geraten oder hatte geglaubt, der andere hätte ihn durchschaut. Doch bisher war alles gutgegangen.
M'Artois drehte sich um und blickte Kennof in die Augen.
„Sie erzählen mir von diesem Mr. Hartz", sagte er. „Wie ist es möglich, daß ein so geschickter Finanzberater es duldete, daß Sie Ihr Kapital in schwachen Aktien anlegten?"
„Es war ganz einfach so, daß ich die Bevormundung durch Hartz satt hatte", erklärte Kennof. „Ich wollte diesem Angeber beweisen, daß ich auch ohne ihn auskommen kann. Leider ist es schiefgegangen."
„Eine solche Handlungsweise entspricht Ihrem ausgeprägten Charakter", gestand M'Artois ein. Kennof atmete unmerklich auf. „Es
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