0088 - Der Guru aus dem Totenreich
gründlich vermutlich.«
Zamorra grinste leicht.
»Aber er hat nicht gefunden, wonach er suchte. Ich konnte das Amulett vorher noch verstecken. Bevor mich das Zeug im Wein ebenfalls aus den Pantoffeln warf.« Er erklärte kurz, was er gemacht hatte. Nicole sah ihn bewundernd an. Das gewählte Versteck war nicht alltäglich gewesen.
»Und jetzt?« fragte sie dann.
»Wir werden uns aus dem Staub machen, was sonst«, antwortete der Dämonenjäger. »Ich traue diesem Raffzahn von Maharadscha-Nachkömmling nicht mehr über den Weg. Ich fürchte, wir können voraussetzen, daß er auch etwas mit diesem drachenköpfigen Dämon zu tun hat. Du erinnerst dich noch, was er über seine Drachen und Echsen erzählte? Er züchtet sie. Und dann seine Gürtelschnallen. Da sagt mir nicht nur mein Gefühl, daß unser lieber Freund alles andere als unser Freund ist. Die Logik sagt genau dasselbe.«
»Ich fühle mich ziemlich verlassen«, meinte Nicole. »Unter all diesen finster dreinblickenden Dienern. Die Fenster sind vergittert. Und du glaubst, nach allem, was vorgefallen ist, ließe uns Mojir Brahmul einfach so laufen?«
Nicole hatte Zamorras Befürchtungen Worte gegeben. Das glaubte er tatsächlich nicht.
Er ging zur Tür, drückte die Klinke.
Es war abgesperrt. Vermutlich hatte es auch wenig Sinn, Gewalt anzuwenden. Die Tür aufzubrechen machte zuviel Lärm und rief nur Wachtposten auf den Plan, wenn nicht ohnehin schon welche durch die Gänge patrouillierten.
Abgeschlossen war auch die Verbindungstür zu den Räumen Nicoles. Zamorra versuchte seine Kräfte am Gitter des einzigen Fensters. Mond und Sterne spendeten nur wenig Licht.
Trotzdem sah Zamorra zumindest soviel, daß die Verankerung des Gitters nicht mehr aus diesem Jahrhundert stammte. Der Verputz bröckelte ab, wenn man mit dem Daumennagel daran schabte.
»Hol mir die Nagelfeile aus dem Bad«, sagte Zamorra. »Das Gitter meint es gut mit uns.«
Nach zehn Minuten hatte Zamorra es geschafft. Er hielt das Gitter in der Hand. Wenn er es quer hielt, konnte er es ins Zimmer ziehen und neben der Wand abstellen.
Das war auch der Augenblick, in dem der Schlüssel im Schloß knirschte.
***
Zamorra wollte herumfahren. Das Gitter in seinen Händen hinderte ihn. Er ließ es los und kümmerte sich nicht mehr darum, als es laut unten im Garten aufschlug. Geduckt und mit hängenden Armen stand er da.
»Weg, Nicole!« rief er. »Ins Bad!«
Aber es war schon zu spät.
Die Tür ging auf, und Licht überflutete den Raum. Unter dem Türbalken stand Modjir Brahmul Al Fujieb und hielt eine Pistole in der Hand. Seine buschigen Augenbrauen zog er überrascht hoch. Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, seine »Gäste« schon wach vorzufinden. Aber der Inder fing sich schnell. Vor allem hatte er die Kanone in der Hand, ein Umstand, der sein Selbstvertrauen nur festigen konnte.
Zamorra hatte darauf verzichtet, eine Waffe mit nach Indien zu nehmen, obwohl er eine Lizenz besaß. Doch die indischen Einreisebehörden konnten sich in diesen Dingen recht sperrig geben. Und schließlich hatte er nicht damit gerechnet, in ein Abenteuer dieser Art zu stolpern.
»Bleiben Sie, wo Sie sind!« sagte Modjir Brahmul scharf. Er hatte die Maske des freundlichen Gastgebers so total abgelegt, daß Zamorra und Nicole ihn kaum wiedererkannten. »Ein Fluchtversuch hat keinen Sinn. Sie würden diesen Raum nicht lebend verlassen.«
In Zamorras Seitentasche steckte noch die Nagelfeile. Sie ließ sich notfalls als Stichwaffe gebrauchen. Doch der Dämonenjäger schob diesen Gedanken wieder weit von sich, als sich hinter dem Inder noch zwei weitere dunkelhäutige Männer ins Zimmer schoben. Sie waren mit Maschinenpistolen bewaffnet. Modjir Brahmul hatte demnach nicht vor, auch nur das geringste Risiko einzugehen. In dieser Lage konnte Zamorra auch das Amulett nicht weiterhelfen. Es machte ihn nicht kugelfest, beschützte ihn nur vor Geistwesen und Dämonen. Blieb nur noch die Frage, ob auch der Maharadscha-Sproß bereits den Keim des Bösen in sich trug. Zamorra nahm es fast an. Aber er wollte ganz sicher gehen. Wenn er sich täuschte, waren sie ohnehin verloren.
Modjir Brahmul war bestimmt nicht der Mann, der Zeugen am Leben ließ.
Und er kam dem Gespensterjäger verändert vor. Der Ausdruck in seinen wildfunkelnden, schwarzen Augen hatte sich verändert. Die Pupillen waren groß, obwohl sie sich bei der grellen Deckenbeleuchtung hätten zusammenziehen müssen. Drogensüchtige haben diesen
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