009 - Der Engel von Inveraray
auf ihren Handrücken. „Offensichtlich hat der Marquess noch immer eine Vorliebe für die Gesellschaft der schönsten Frau im Saal." Sein Gebaren war freundschaftlich und neckend. „Haydon, Sie raffinierter Schuft, wo zum Teufel haben Sie nur gesteckt? Uns ist eine böse Geschichte von einer Verhandlung wegen Mordes zu Ohren gekommen. Man behauptete, Sie wären gehängt worden, doch offensichtlich waren diese Geschichten schamlos übertrieben." Er lachte.
Haydon nippte an seinem Champagner und wirkte leicht amüsiert. „So sieht es aus."
„Nun, ich freue mich, dass dieser ganze Schlamassel überstanden ist. Nur ein unangenehmes Missverständnis, nicht wahr?"
„Ich fürchte, ja."
„Gott sei Dank! Oben in Inverness haben alle Sie für tot gehalten, außer mir natürlich. Ich wusste, dass Sie einen Weg finden würden, Ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, ganz gleich, in welch missliche Lage Sie sich gebracht hätten. Sie werden aus dem Staunen nicht mehr herauskommen, wenn ich ihnen erzähle, dass ich Sie hier in Glasgow in Begleitung einer reizenden Dame in einer Kunstausstellung getroffen habe, das kann ich Ihnen versichern!"
„Wirklich, Mr. Caldwell, Sie schmeicheln mir zu sehr", protestierte Genevieve und zwang sich zu einem Lächeln. „Lord Redmond, würde es Ihnen etwas ausmachen, mich zu meinem Gatten zurückzubegleiten? Wenn er mich hier mit zwei so stattlichen Männern plaudern sieht, wird er gewiss entsetzlich eifersüchtig werden.
Sie entschuldigen mich doch sicher, nicht wahr, Mr. Caldwell?" fragte sie charmant.
„Aber gewiss doch, Mrs. Blake." Er verbeugte sich leicht. „Es war mir ein Vergnügen, Sie kennen gelernt zu haben. Wie lange gedenken Sie in Glasgow zu bleiben, Haydon?"
erkundigte er sich an Haydon gewandt. „Ich selbst bin die ganze Woche hier.
Vielleicht könnten wir uns einmal zum Dinner treffen, und dann erzählen Sie mir, wie Sie es geschafft haben, dem Henker zu entwischen", schlug er vergnügt vor.
„Leider reise ich morgen ab."
„Das ist schade. Fahren Sie heim?"
„Nicht direkt. Ich werde wohl noch einige Wochen zu tun haben", entgegnete Haydon ausweichend.
„Geschäftliche Verpflichtungen, nehme ich an."
„Richtig."
Rodney seufzte. „Ich fürchte, das ist der Fluch von uns Tunichtguten, Mrs. Blake.
Von Zeit zu Zeit sind wir gezwungen zu arbeiten, um unseren gewohnten Lebensstil weiterführen zu können. Nun, Haydon, ich werde mich wohl gedulden müssen, bis wir beide wieder zu Hause sind, um zu erfahren, wie Sie Ihrer Hinrichtung entgangen sind. Ich brenne darauf, die Einzelheiten zu hören."
„Es wird mir ein Vergnügen sein." Haydon bot Genevieve seinen Arm. Gehorsam legte sie sacht ihre Finger auf den Stoff seines Ärmels. „Und nun wollen Sie uns bitte entschuldigen, damit ich Mrs. Blake sicher zu ihrem Gatten zurückbringen kann.
Gute Nacht, Rodney." Er lächelte und wandte sich ab.
„Wir müssen gehen", sagte er gepresst, während er Genevieve durch die Menge schleuste. „Sofort."
Genevieve wartete mit versteinerter Miene, während Haydon ihre Mäntel holte. Sie sah, wie Mr. Lytton auf einen weiteren möglichen Käufer zueilte, der gerade mit seiner Gattin in ein lebhaftes Gespräch über die Vorzüge eines ihrer Gemälde vertieft war. Genevieve ahnte, dass sie vermutlich ein weiteres Bild verkauft hatte.
Die Ausstellungsgäste tranken, lachten und plauderten noch immer angeregt. Nichts im Saal hatte sich verändert.
Sie zitterte, als Haydon ihr den Mantel um die Schultern legte.
Während der Kutschfahrt zurück zum Hotel sprach niemand ein Wort. Sobald sie in Genevieves Zimmer angelangt
waren, verriegelte Haydon die Tür, ließ sich schwer dagegen sinken und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
„Ist dieser Mr. Caldwell ein guter Freund von Ihnen?"
Er schüttelte den Kopf. Er hatte keine guten Freunde.
„Das würde erklären, warum er nicht genau darüber im Bilde war, was Ihnen widerfahren ist", meinte Genevieve nachdenklich.
„Vermutlich hat er sich an die wie auch immer lautenden Gerüchte erinnert, die auf gesellschaftlichen Zusammenkünften oben in Inverness die Runde machten", überlegte Haydon. „Offenbar weiß man noch nichts von meiner Flucht. Oder Rodney ist einfach nicht auf dem Laufenden."
„Doch nun, wo er Sie gesehen hat, wird er es gewiss allen erzählen."
Haydon antwortete nicht.
Verzweiflung stieg in Genevieve auf. Als sie als Mr. und Mrs. Maxwell Blake die Galerie betreten hatten, war sie einen
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