009 - Der Folterknecht
beiden Großinquisitoren hatten zwar die von uns gemeinsam ausgearbeiteten sechsundneunzig Fragen fast unverändert übernommen, doch es fehlten die Zusätze, die das Erkennen von Dämonen erleichtern sollten. Ohne diese Hinweise konnte der Hexenhammer nur allzu leicht falsch interpretiert und mißbraucht werden.
Sehnsüchtig wartete ich auf Jakob Sprengers Eintreffen, ließ aber die Wartezeit nicht ungenützt verstreichen. Ich stellte Nachforschungen an und hörte mich auf den Empfängen und Festen um, zu denen mich die Adeligen und Reichen einluden.
Am zweiten Tag meines Aufenthalts in Konstanz führte mich mein Weg auch zufällig am Gasthof Zum heiligen khindlein vorbei. Ich war zu einem Empfang im Schloß der Gräfin Cäcilia Schwandt von Baunach geladen, jedoch noch etwas früh dran. Da es mich interessierte, was nach dem Tod von Hans Stiecher und dessen Frau – deren Grab man geöffnet hatte, um sie mit einem Pflock von ihrem untoten Dasein zu erlösen – nun für Leute den Gasthof führten, betrat ich die Schankstube. Ich war freudig überrascht, Brunhilde anzutreffen.
»Hast du es dir doch anders überlegt und bist hiergeblieben?« fragte ich.
»Ich bin die Wirtin«, erklärte sie. »Ich habe geheiratet. Euer Gnaden kennen meinen Mann. Wenn Ihr ihn aufsuchen wollt, er ist im Stall.«
Ich gestehe meine Neugierde freimütig ein, die mich sofort in den Stall hinaustrieb, aber dort fand ich nur Equinus vor. Auch er war sichtlich erfreut über meinen Besuch und leckte mir wie ein treuer Hund die Hände ab.
»Ihr solltet heilig gesprochen werden, Euer Gnaden«, sagte er in seiner kaum verständlichen Art. »Was Ihr für die Menschen tut, muß Euch im Himmel gelohnt werden. Ich bin Euch ein treuer Diener, weil ich die Dämonen hasse. Fahret fort, Euer Gnaden, und befreit die christliche Menschheit von dieser Geißel!«
»Schon gut, Equinus. Ich suche den Wirt. Wo ist er?«
»Ich bin der Wirt«, sagte Equinus.
Ich stürzte davon. Es sah wie eine Flucht aus. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, daß ein so hübsches Mädchen wie Brunhilde das Lager mit solch einem Ungeheuer teilte.
Sie schien meine Gedanken zu erraten, als ich mit wehendem Umhang durch die Schankstube eilte. Denn als sie mir die Tür öffnete, sagte sie: »Verdammt mich nicht, Euer Gnaden, und auch nicht Equinus! Er besitzt ein abstoßendes Äußeres, aber im Herzen ist er gut.«
Während des Festes auf dem Schloß der Gräfin Cäcilia wurde mir auch Heinrich Cornelius Mudt von Gilding vorgestellt. Dieser Name stand auf meiner Liste der verdächtigen Personen weit oben. Eustache, der in meinem Auftrag in Konstanz lebte und sich in den letzten beiden Jahren als ausgekochter Hexenjäger entpuppt hatte, besorgte mir die Unterlagen über Cornelius Mudt.
Dieser Mann hielt sich erst seit zwei Monaten in Konstanz auf, hatte aber bereits in dieser kurzen Zeit Zugang zu den Herzen der Damen der Gesellschaft gefunden. Er war ein großartiger Erzähler und Herzensbrecher. Was man an ihm so wohltuend vermißte, war die Geziertheit der anderen Edelleute seines Alters. Das heißt, bei ihm von Alter zu sprechen, war absurd, denn sein Alter war ihm nicht anzusehen. Er konnte fünfundzwanzig oder auch vierzig sein; er besaß den Esprit der Jugend, aber auch die Erfahrung des Alters. In der Männerwelt war er verständlicherweise weniger beliebt, und so war es nicht verwunderlich, daß man sich Geschichten über ihn zu erzählen begann, die den Glanz seiner Erscheinung trübten.
Ich hätte auf diese Gerüchte weniger gegeben, wenn ich von Eustache nicht ähnlich lautende Berichte erhalten hätte.
»Herr von Gilding hat lange Zeit am Hofe des Pfalzgrafen Phillip gelebt«, erzählte Eustache. »Seine Auftritte in Heidelberg hatten die gleiche Wirkung wie hier in den Schlössern um Konstanz. Die Herzen der Frauen entflammten, und die Ehemänner und Freier verfielen bei seinem Anblick in Groll. Nun war es aber in letzter Zeit in und um Heidelberg zu seltsamen Vorfällen gekommen. Insgesamt zwanzig Männer und Frauen, darunter Bauern, Handwerker und Mägde ebenso wie Edelleute und Damen der vornehmen Gesellschaft, waren innerhalb weniger Wochen an einer seltsamen Krankheit gestorben. Sie erbleichten, wurden steif wie Bretter, atmeten nicht mehr, und ihr Blut wurde zu Staub. Man verbrannte sie, obwohl man keine Wunden, die auf einen Vampirbiß hindeuteten, an ihnen fand. Und plötzlich entstand das Gerücht, daß der Herr von Gilding der Übeltäter sei.
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