0091 - Lucifers Bücher
geschickt und ihn in seinem gemieteten Alfa gegen ein unsichtbares Hindernis prallen lassen, durch das sein Wagen gegen die Hauswand eines altehrwürdigen Palazzos geschleudert worden war. Er glaubte, die mörderischen Gluten wieder in seiner Lunge zu spüren, und atmete unbewußt tiefer ein.
Er hatte immer noch nichts auf der anderen Seite der Tür gehört. Darum wurde er von ihrem Öffnen überrascht, und er fiel zwei breitschultrigen Männern, die in schmutziggrauen Kitteln steckten, vor die Füße.
Sie sprangen mit ihm um, als wäre er ein Stück Dreck. Zamorra verdankte es nur ihren Sandalen, daß ihm der Fußtritt nicht das Schulterblatt zertrümmerte. Er war nicht in der Lage, den rasenden Schmerz zu verbeißen, und schrie gellend auf. In seiner Qual hörte er jedoch einen Dritten in griechischer Sprache sagen: »Schlagt ihn nicht ganz tot, denn der hohe Herr will ihn erst noch einmal sprechen.«
Die beiden Sklaven, die ihn so unmenschlich behandelt hatten, stammten aus dem tiefen Afrika. Ihr Haar war kraus, die Lippen stark aufgeworfen und erstaunlich klein ihre Nasen. Der Professor war sich sicher, diese Gesichter nie wieder zu vergessen, aber wieso beherrschten die Sklaven anstelle von Latein das alte Griechisch?
Man stieß ihn eine steinerne Treppe hinauf. Dabei bekam er den dritten Mann zu Gesicht, der ihn mißtrauisch musterte. Sein Gewand war gepflegt, und der breitgewirkte rote Streifen strahlte.
»Woher kommst du?« fragte er Zamorra auf griechisch.
Der Professor schwieg, er wollte den anderen zwingen, seine Frage in Latein zu wiederholen. Und da kam sie auch schon.
Zamorra beeilte sich, sofort zu antworten. »Ich komme aus Etrusci«, sagte er und damit nicht einmal die Unwahrheit, denn Florenz und sein Toscana lagen im ehemaligen Etruskerland.
»Wieso wagst du es, die gleiche Kleidung zu tragen, wie es nur der hohe Herr darf?«
»Viele in Etrusci gehen der neuesten Mode nach so gekleidet wie ich«, versuchte der Parapsychologe, den Fall herunterzuspielen. Er hatte einen Laubengang erreicht und blinzelte ins grelle Sonnenlicht. Durfte er es wagen, eine Frage zu stellen?
Er durfte es nicht. Der Mann in der gepflegten Kleidung schrie die Sklaven an: »Stopft diesem unbotmäßigen Hund das Maul!«
Zamorra nahm dem Schlag die volle Wirkung, indem er den Kopf zurückriß, dennoch schmerzte es. Er taumelte leicht, wurde vorwärtsgestoßen und sah dann den Karren, auf den man ihn verlud und darauf festband. Wieder wurde das Hoftor geöffnet, und dann rollte der mit einem Pferd bespannte Karren über die holprige Straße, aber nicht in die Richtung zurück, aus der man ihn herbeigeschafft hatte, sondern in die entgegengesetzte.
Er befand sich nun allein unter der Kontrolle der schwarzen Sklaven, die sich in griechisch unterhielten. Wahrscheinlich waren sie der Ansicht, ihr Gefangener würde diese Sprache nicht beherrschen, hatten sie den Professor doch nur in Latein reden hören.
»Gewiß wird der hohe Herr diesen Gefangenen den drei Krallen der Finsternis opfern, die ihm den Hals bis zur Luftröhre ausreißen werden.«
»Oder seinen fünf Löwen zum Fraß vorwerfen. Du weißt, manchmal liebt der hohe Herr solche Spiele, besonders wenn junge Mädchen bei ihm sind.«
Das waren phantastische Aussichten. Domdonar schien ein Ausbund der Hölle zu sein.
Dann lag der Ort hinter ihnen. In der Bauchlage konnte Zamorra nicht viel sehen, doch was er erspähte, zeigte ihm ein Land voller Naturschönheiten. Es paßte zu dem einmalig schönen milden Wetter.
Nur die Lederriemen schnitten immer tiefer in Zamorras Fleisch, und der Blutstau begann zu schmerzen. Dauerte die Fahrt sehr lange, dann konnte sie ihn das Leben kosten.
Hufschlag klang auf. Wenig später ritt eine Schar Männer vorbei. Natürlich wurde jeder Reiter auf den Mann in der fremdartigen Kleidung aufmerksam. Fragen prasselten auf die beiden Sklaven herab, die sich bemühten, jede zu beantworten.
Der Name »phlegräische Felder« fiel und dann der zweite: »Puteoli«. Im gleichen Moment wußte der Professor, in welchem Landstrich des Imperium Romanum er sich befand, im alten von Griechen besiedelten Kampanien, das nach der Eroberung durch die Römer »Regio felix« genannt wurde - das glückliche Land.
Daher auch die Zweisprachigkeit der einfachen Bevölkerung.
Und diese Regio felix wurde vom guten alten Vesuv bewacht, der weit über den Golf von Neapel blicken konnte.
Herculaneum und Pompeji waren nicht weit.
Die Reiterschar war
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