0091 - Lucifers Bücher
Domdonar?« fragte der kleine Herr mit deutlichem südländischem Einschlag.
»Nein, ich habe zum ersten Mal vor drei Tagen von ihm gehört und lese nun das hier. Ziemlich unglaubwürdig, meinen Sie nicht auch?«
Zamorra sprach gegen seine eigene Überzeugung.
Zu seiner Überraschung schüttelte der andere den Kopf.
»Darf ich mich an Ihren Tisch setzen?«
Er durfte.
Er stellte sich als Emilio Bruttera vor, von Beruf Privatdetektiv in Firenze.
»Parapsychologie interessiert mich als Hobby. Schwarze Magie auch, nur darf man es in dieser Stadt keinem Menschen sagen, sonst ist man überall als Ketzer gezeichnet, und das Geschäft ist kaputt.«
Emilio Bruttera schien gern zu erzählen, und der Professor hinderte ihn nicht daran. Sein Interesse an Informationen über den Hellseher zeigte er nicht.
»Ich hatte im vergangenen Jahr drei Monate in Rom zu tun. Ehebruch und so. Ein Ehemann wollte wissen, ob seine Frau ihm Hörner aufsetzte. Ich hatte Zeit, mich auch für Domdonar zu interessieren, der plötzlich in aller Munde war. Nun ja, ich sah mir auch seinen Kundenkreis an, aber das ergab nichts. Und dann tauchte der Hellseher hier auf, und wieder sah ich mir seinen Kundenkreis an. Und ob Sie es glauben oder nicht, Signore, mehr als sechzig Prozent seiner Kunden stammen aus dem Bankgewerbe.«
»Aus dem Bankgewerbe?« echote Zamorra und zeigte dem anderen sein Mißtrauen und seinen Unglauben.
Der flüsterte: »Domdonar ist in dieser feinen Branche der Geheimtip Nummer eins, Signore. Ich will Ihnen mal schnell sagen, wie viele italienische Banker in den letzten vier Tagen den Hellseher aufgesucht haben. Da haben Sie sie!« Und blitzschnell hatte er seine Brieftasche gezogen, sie geöffnet und dem überraschten Professor Fotos von sieben verschiedenen Männern vorgelegt. Bruttera rasselte die Namen der sieben Männer herunter. Zwei sollten Direktoren der Banca d'Italia in Varese und Mailand sein.
»Signore«, fuhr Bruttera fort, »ich kann Sie mit drei Personen bekannt machen, die Domdonar aufsuchten, und der sich weigerte, ihnen die Zukunft weiszusagen. Er gibt nur den Bankern seine heißen Tips, wie sie spekulieren sollen.«
»Todsichere Tips im Bankgewerbe, Signore?« fragte Zamorra. »Wo gibt es die?«
Daran dachte er, als er wieder bei seinen Schriften und Büchern im Palazzo Quinto war und ihm der Jahrhundertstaub um die Nase wehte.
Dann hatte er sich entschlossen und wählte ein Gespräch mit Paris. Bankier Martin Derouge sprach am anderen Ende der Leitung. Er war über den Anruf des Parapsychologen erstaunt.
»Wen wollen Sie unter meinem Namen besuchen? Einen Domdonar, Professor… Ach, ja, von dem spricht die ganze Branche. Soll tolle Tips geben, die alle hundertprozentig wären. Ich kann es nur nicht glauben.«
Zamorra trug seinen Wunsch noch einmal vor und erweiterte ihn.
Der Bankier in Paris an seinem Telefon lachte schallend.
»Womit ich spekuliere, Zamorra? Es ist kein besonders großes Geheimnis. Ich spekuliere mit dem neuen Afro-Dollar. Natürlich können Sie bei diesem Donar, oder wie er heißt, davon Gebrauch machen. Sagen Sie mir später einmal, was Ihnen der Hellseher gesagt hat.«
Zamorras nächstes Gespräch war ein Ortsgespräch, das eine Verbindung zwischen Palazzo Quinto und Domdonars Wohnsitz in der Via Delle Terme herstellte.
Irgendwer von Domdonars Assistenten gab Monsieur Martin Derouge aus Paris, von Beruf Bankier, einen Termin für den 17. August.
Das war in drei Tagen.
Als er auflegte, tat es Zamorra leid, soviel wertvolle Zeit an einen sinnlosen Versuch verschwendet zu haben.
***
Der mysteriöse Tod der Comtessa ließ Zamorra keine Ruhe. Er brachte es fertig, sich von den kostbaren Quinto-Schriften und -Büchern zu trennen, und fuhr dann zum Palast der Ermordeten hinaus in die Via Villani auf der anderen Seite des Arno.
Der Blick über Florenz war unbeschreiblich. Der Empfang im Palazzo auch. Man wies ihm eiskalt die Tür.
Zamorra verkraftete es. Aber als er beim vierten Versuch, eine der fünf Damen zu sprechen, die Zeugen der Ermordung gewesen waren, auch diese Vierte nicht antraf, weil sie verreist sei, glaubte er nicht mehr an Zufall.
Die fünfte traf er auch nicht an. Wohl deren vertrottelten Mann.
»Meine Frau sagt mir nie, wohin sie fährt.«
Auf dem Rückweg zum Palazzo Quinto mußte der Professor ununterbrochen an den Hellseher Domdonar denken.
Warum gab es kein Foto von ihm?
Auch in den Büros der beiden Presseagenturen der Stadt gab es kein Bild von
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