0091 - Satans Schloß
durch die Luft und packte Pierre.
Er kreischte auf, als habe ihn der Teufel ergriffen. Dem schmächtigen Mädchen bereitete es keine Schwierigkeiten, den Jungen vor sich über das Motorrad zu reißen.
Sie gab Vollgas und raste in die Nacht hinaus, schwenkte auf die Straße in Richtung Nouvatelle ein und schickte noch ein höhnisches Lachen zu mir herüber.
Jetzt durfte ich auch deshalb nicht schießen, weil ich sonst Pierre treffen konnte.
Ohne mich um die Neugierigen zu kümmern, die sich wild schreiend näher drängten, hetzte ich zu dem Polizeiwagen, startete und legte den ersten Gang hinein.
Mit durchdrehenden Reifen raste ich von dem Parkplatz auf die Straße hinaus, schaltete Blaulicht und Sirene ein und nahm die Verfolgung auf.
Es gab keinen Gegenverkehr. Es mußte bereits weit nach ein Uhr nachts sein. Die ganze Gegend war wie ausgestorben, nachdem ich einmal den Lärm der Disco hinter mir gelassen hatte.
Die Scheinwerfer fraßen sich durch die Dunkelheit, erfaßten jedoch nicht die Verfolgten. Ich sah auch das Rücklicht des Motorrades nicht.
Trotzdem jagte ich mit Höchstgeschwindigkeit weiter, und die lag leider nur bei etwa neunzig Stundenkilometern. Es war eben ein Geländewagen und kein Sportflitzer.
Dafür entdeckte ich das Funkgerät und schaltete es ein, bekam auch sofort Kontakt zur Zentrale, aber dann war es auch schon vorbei. Der französische Kollege bei der Gendarmerie sprach Dialekt. Die Sirene und die üblichen Störgeräusche im Funkgerät machten seine Worte für mich völlig unverständlich.
Ich gab meine Meldung durch, so gut ich es auf Französisch konnte, wartete die Bestätigung gar nicht erst ab, sondern schaltete das Gerät aus. Wenn es nicht geklappt hatte, konnte ich es auch nicht ändern.
Ich erreichte den Hauptplatz. Nouvatelle sah aus, als wäre es von seinen Bewohnern verlassen worden. Vor allen Häusern waren die Fensterläden geschlossen. Eine einzige Lampe brannte in der Mitte des Platzes. Auf der anderen Seite stand das Kriegerdenkmal vor dem Bürgermeisteramt, dem Hotel de Ville. Niemand, den ich hätte fragen können, in welche Richtung das Motorrad gefahren war. Auch sonst waren keine Spuren von Pierre und Michelle zu sehen.
Resignierend schaltete ich die Sirene aus und fuhr nur mit Blaulicht weiter. Ich schlug die Richtung zum Château ein. Es hatte keinen Sinn, blindlings in der Gegend herumzurasen. Ein Auto konnte man nicht so leicht verschwinden lassen, ein Motorrad schon.
Ich hatte einen Streit unter Jugendlichen verhindern wollen und hatte zu spät erkannt, daß es ein Angriff der höllischen Mächte war. Die Geister von Château Brouillard steckten hinter allem, und sie hatten nach Michelle Larane nun auch ihren Freund Pierre Arambon geholt.
Ruckartig richtete ich mich hinter dem Steuer des Polizeiwagens auf.
Daß ich nicht gleich daran gedacht hatte!
Vielleicht brachte Michelle ihr Opfer zur Burg hinauf. Dann hatte ich doch noch eine Chance, sie vor dem Portal einzuholen und Pierre aus ihren Klauen zu retten!
Mit einem Faustschlag schaltete ich die Sirene ein und drückte den Fuß auf das Gaspedal.
Möglich, daß ich der Gendarmerie von Nouvatelle einen schrottreifen Wagen zurückgab, aber es ging um ein junges, hoffnungsvolles Menschenleben, das ich den Klauen der Hölle entreißen mußte.
***
Suko war durchtrainiert bis in den kleinsten Muskel. Auf der steil abfallenden Straße vom Château nach Nouvatelle war die größte Schwierigkeit, daß überall lockeres Geröll herumlag. Suko mußte aufpassen, daß er nicht ausglitt und über die Kante stürzte. Es wäre ihm das gleiche Schicksal wie Jacques widerfahren.
Mit der Geschmeidigkeit einer Katze wich Suko jedem Hindernis rechtzeitig aus. Lag ein Felsbrocken im Weg, sprang er darüber hinweg. Kam ein Abschnitt, der mit kleinen runden Steinen bedeckt war, schienen seine Füße den Boden kaum zu berühren.
Sein Blick war stets auf die Straße vor ihm gerichtet. Kein einziges Mal sah er über die Kante hinaus, um nicht von dem Abgrund angezogen zu werden.
Zwei Drittel des Wegs hatte er bereits hinter sich gebracht, als er jenseits der Stadt ein zuckendes Blaulicht entdeckte, das sich rasch Nouvatelle näherte. Von Ferne hörte er auch das mißtönende Gellen einer französischen Polizeisirene.
Suko unterbrach seinen Lauf keine Sekunde lang. Er mußte an mich denken. Ich war mit einem Fahrzeug der Gendarmerie unterwegs. Suko konnte nicht wissen, ob ich es tatsächlich war, doch er verfolgte
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