0091 - Satans Schloß
und biß und trat nach meinem Freund, daß er sie nicht mehr auf Distanz halten konnte. Sie verkrallte sich mit zornigem Kreischen in seinen Kleidern und schlug mit Fäusten auf ihn ein.
Ich beendete den Kampf, indem ich mein silbernes Kreuz von der Halskette löste und Michelle am Kragen packte. Hart drückte ich ihr das Kreuz gegen den Rücken.
Sie bäumte sich auf, als habe ich ihr einen Stromschlag versetzt, breitete die Arme aus und stieß einen durch Mark und Bein gehenden Schrei aus. Mit einer gewaltigen Anstrengung warf sie sich herum und stieß mich zurück.
Ich taumelte gegen die Felswand. Suko versuchte noch, Michelle festzuhalten, doch er schaffte es nicht. Seine großen Hände schlossen sich um ihr linkes Bein, aber sie kam mühelos wieder frei und taumelte die Böschung hinunter.
Auf ihrem Rücken hatte sich in die Jacke die Form eines Kreuzes eingebrannt!
Sie stand mit bösen Mächten im Bund! Meine Waffe hatte das Dämonische in ihr angegriffen und in die Flucht geschlagen.
Ich stieß mich von der Felswand ab, um Michelle zu verfolgen, doch sie tauchte bereits zwischen den Bäumen unter. Im Wald hätte ich ihre Spur keinesfalls wiedergefunden.
Suko kam etwas mühsam auf die Beine. Seine Kleider sahen übel aus.
»Dieses Biest«, rief er aus. »Ich hatte das Gefühl, ich hätte einen Puma zwischen den Fäusten!«
Ich grinste ihm erleichtert zu, daß ihm nichts passiert war. Gemeinsam ließen wir uns den Abhang hinunter gleiten, wo Pierre regungslos neben dem Motorrad lag.
Er starrte mit weit aufgerissenen Augen in den nächtlichen Himmel empor. Für einen schrecklichen Moment glaubte ich schon, er hätte sich beim Sturz das Genick gebrochen oder wäre vorher von Michelle umgebracht worden, doch dann merkte ich, daß sich seine Brust hob und senkte. Er atmete sehr flach.
Ich untersuchte ihn, so gut es in dieser Lage ging. Die Scheinwerfer des Geländewagens reichten nicht ganz bis zu uns, doch es genügte.
»Keine Verletzungen, soweit ich das feststellen kann«, erklärte ich. »Bringen wir ihn nach oben, und dann fahren wir zu einem Arzt.«
»Gibt es denn in Nouvatelle kein Krankenhaus?« fragte Suko, während er den Jungen unter den Achseln faßte.
»Keine Ahnung«, antwortete ich. »Hoch mit ihm!«
Pierre war enorm schwer. Erst jetzt erkannte ich, welche Kraft Michelle hatte anwenden müssen, um ihn vor dem Violon auf das Motorrad zu reißen.
Gemeinsam schleppten wir den apathischen Jungen zu dem Geländewagen und legten ihn vorsichtig auf die Rücksitze. Wenn er innere Verletzungen oder gar einen Schädelbruch erlitten hatte, konnten wir seinen Zustand nur verschlimmern.
Während wir ihn trugen, berichtete Suko in knappen Worten, was mit Jacques geschehen war.
»Fahr schon voraus«, riet Suko. »Ich kümmere mich um das Motorrad. Wenn ich es nicht wieder flott bekomme, warte ich hier auf dich! Ansonsten fahre ich zum Château zurück. Jane macht sich schon schreckliche Sorgen.«
»Kümmere dich nur nicht zu sehr um sie«, sagte ich mit einem flüchtigen Grinsen.
Suko winkte mir zu, und während er über den Abhang zu Pierres Motorrad lief, jagte ich mit Vollgas nach Nouvatelle. Bereits zehn Minuten später lag Pierre auf dem Untersuchungstisch eines sehr alten aber ebenso freundlichen wie tüchtigen Arztes, der ihn auf Herz und Nieren untersuchte.
Ich wartete auf das Untersuchungsergebnis und erholte mich dabei ein wenig von den Strapazen des Einsatzes. Außerdem ließ ich mir alle Möglichkeiten durch den Kopf gehen, wie wir die Geister von Château Brouillard unschädlich machen konnten.
Ich hätte keine ruhige Sekunde gehabt, hätte ich geahnt, was sich zur selben Zeit auf dem Château abspielte.
***
Jane Collins versuchte, wenigstens eine Minute still zu sitzen. An Schlaf war überhaupt nicht zu denken. Sie schaffte es nicht einmal, sich ein wenig zu entspannen.
Sie fühlte fast körperlich, daß mit mir und Suko etwas passiert war. Wir wären niemals so lange weggeblieben, hätten wir nur einen Streit unter Jugendlichen schlichten müssen.
Endlich hielt es Jane nicht mehr in unseren Räumen aus. Sie konnte das Château zwar nicht verlassen, weil der Weg ins Tal zu weit war, aber sie wollte wenigstens etwas tun.
Sie nahm die Ersatzberetta und überprüfte, ob die Pistole in Ordnung war. Dann machte sie sich auf den Weg.
Sie und Suko hatten deutlich gesehen, daß Jacques abgestürzt war. Er mußte es gewesen sein. Außer ihm befand sich niemand im Schloß mit einer
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