0092 - Einsatz der Todesrocker
hatte, dem Blick standzuhalten, senkte sie jetzt die Augenlider. Sie hatte keine Kraft.
Außerdem fror sie. Es war nicht nur die Kälte des von den Bergen fallenden Windes, der über das Plateau blies und jammernd um die schroffen Kanten der Felsen fuhr, sondern bei ihr hatte die Kälte einen anderen Namen.
Angst!
Ja, zum erstenmal in ihrem Leben merkte Lucy Taylor, was es heißt, Todesangst zu haben. Dieses Monster flößte ihr Furcht ein. Es strahlte ein unbeschreibliches Grauen aus. Lucy wurde fast körperlich davon berührt.
Alles in ihr zog sich zusammen, als der Rocker mit dem Flammenschädel auf sie zutrat.
Sein Totenschädel unter den Flammen hatte sich zu einem häßlichen Grinsen verzogen. Das Feuer fuhr auch in die leeren Augenhöhlen hinein und füllte sie mit der Glut der Hölle. Lucy Taylor fragte sich, wie solch ein Mensch nur existieren konnte.
Aber war es ein Mensch?
Nein, dieser Rocker gehörte nicht mehr zu der Gattung. Er war ein Horrorwesen, ein künstliches Geschöpf aus der tiefsten Hölle, geschaffen vom Teufel, um ihm zu dienen.
Eine Gänsehaut strich über Lucys Körper, und in ihrem Innern krampfte sich alles zusammen.
Sie ballte die Hände und hielt sie abwehrend vor ihr Gesicht, als die Finger des Rockers nach ihr griffen.
Kalt war seine Haut.
Eisig wie der Hauch des Todes…
Dicht zog der Rocker das Mädchen zu sich heran. So nah, daß sie die Flammen spüren mußte, doch das Feuer tat ihr nichts.
Es war nicht heiß oder warm, sondern kalt. Der Schädel des Monsters veränderte seine Konturen. Durch den Flammenschleier sah er seltsam weich aus und wirkte so, als würde er jeden Moment auseinanderlaufen.
»Hör zu«, sagte Sharingo. »Ich habe mit dir noch einiges vor. Du wirst uns den Weg ebnen, der für mich und meinen Freund verschlossen bleibt. Solltest du dich weigern, wird der Satan sich freuen, wenn ich ihm eine Person wie dich als Opfer präsentiere.«
Lucy nickte.
Der Rocker mit dem Flammenschädel lachte rauh. Dann zog er Lucy an sich vorbei und stieß sie auf den Eingang der Höhle zu. »Los, geh da hinein!«
Lucy mußte sich ebenfalls bücken, als sie die Höhle betrat. Hinter dem schmalen Eingang öffnete sich eine breite Grotte, die von zwei brennenden Pechfackeln notdürftig erhellt wurde.
Lucy Taylor hatte irgendwelche schaurigen Dinge erwartet, wie einen Altar für die Teufelsanbetung oder mit magischen Zeichen bedeckte Wände, sowie Spinnenweben und klappernde Skelette.
Nichts davon stand im Innern der Höhle.
Und trotzdem war sie nicht leer.
Die Höhle glich einem großen Warenlager. Da gab es vom Radio über den Fernsehapparat und die Stereoanlage bis hin zu Zigaretten und Pelzmänteln so ziemlich alles, was ein Käuferherz begehrt. Lucy erriet leicht, woher die Sachen stammten. Aus den Raubzügen der Rocker, aus Einbrüchen, Diebstählen und Überfällen.
Lucy Taylor war überrascht. Und dieses Gefühl spiegelte sich auch auf ihrem Gesicht wider.
Sharingo lachte. »Damit hättest du nicht gerechnet, wie?«
»Nein.« Lucys Blick glitt weiter, und sie sah ihre Freundin Betty, die von dem zweiten Rocker bewacht wurde. Clint Sherman ließ sie nicht aus den Augen, wenn man bei seinen leeren Höhlen davon sprechen konnte.
»Du kannst dich setzen«, sagte Sharingo zu Lucy und deutete auf eine Kiste.
Lucy nahm Platz.
Betty Long weinte. Sie hatten schwache Nerven, und das Grauen machte sie fertig.
Die Zeit verging.
Auch die Rocker hatte keine Lust, irgend etwas zu sagen. Sie schwiegen ebenso wie die Girls.
Aber sie wurden immer nervöser. Je weiter die Stunden fortschritten, um so mehr Unruhe erfaßte die beiden.
Schließlich hielt es Sharingo nicht mehr aus. »Sieh mal nach«, sagte er.
Sherman verließ die Höhle.
Als er zurückkehrte, war Scarface Joe bei ihm. Lucy und Betty merkten, daß etwas geschehen sein mußte, denn der dritte Rocker war sichtlich aufgeregt.
»Was ist los?« herrschte Sharingo ihn an.
Scarface Joe berichtete. »Ich… ich bin zurückgeblieben, um alles zu beobachten. Sie haben versagt… sie haben es einfach nicht geschafft. Der andere war stärker.«
»Ein Mann?« fragte Sharingo ungläubig.
»Ja.«
Clint Sherman mischte sich ein. »Du darfst nicht vergessen, es ist dieser Sinclair.«
»Trotzdem. Warum hat der Wirt nicht geschossen? Sie hatten doch seine Frau?«
Scarface Joe hob die Schultern. »Ich weiß es nicht«, erwiderte er. »Ich war doch nur Beobachter. Sie haben noch vor dem Gasthaus auf der Straße
Weitere Kostenlose Bücher