0092 - Geheimmission Moluk
die Wüste. Zuerst sah er nur Sand und flimmernde Helligkeit. Dann, als er den Kopf ein wenig seitwärts drehte, sah er noch etwas. Er blinzelte verwirrt und blickte in die Mulde zurück, um bei einem zweiten Hinsehen eine Fata Morgana auszuschließen. Aber das, was bereits beim erstenmal zu erkennen gewesen war, stand immer noch hundert Meter von seinem jetzigen Standpunkt entfernt.
Weiß wackelte etwas, und Everson mußte sich am oberen Muldenrand festhalten.
„Sehen Sie etwas?" wiederholte Weiß ungeduldig.
„Ja", erwiderte Everson langsam. Und dann, nach einer bedeutungsvollen Pause, die dem Biologen das ganze Ausmaß des Wunders vor die Augen führen sollte, fügte er trocken hinzu: „Den Turm!"
6.
Weiß stieß einen überraschten Ruf aus und hätte seine Last vor Erregung beinahe abgeworfen. „Vorsicht!" mahnte Everson. Der Turm, den sie nach Napoleons Angaben erst nach zwei weiteren Tagen erreichen sollten, befand sich direkt vor ihnen. Entweder waren die Auskünfte des alten Green falsch gewesen, oder der nächtliche Orkan - und das erschien Everson als die weniger überzeugende Lösung - hatte sie auf geheimnisvolle Weise hierhergeschafft.
Das Gebäude, das sich unweit von dem Raumfahrer in den heißen Vormittagshimmel von Moluk reckte, war imposant. Es wirkte auf den ersten Blick fremdartig und unheimlich. Auf keinen Fall war es von Greens erbaut worden. Es ragte ungefähr 150 Meter aus der Erde. Sein Grundriß war, soweit es Everson feststellen konnte, achteckig. Die ständigen Angriffe von Stürmen und Orkanen hatten es etwas zur Seite gedrückt, und es waren sicher nur tiefgehende, stabile Grundmauern, die es vor dem Einsturz bewahrten.
Seit einiger Zeit, die sich nicht schätzen ließ, hatten Wind, Sand, Hitze und Kälte an dem Turm genagt.
Er war von einem graugrünen Überzug bedeckt Stellenweise zeigten sich handbreite Risse, die sich wie meterlange Muster über die Außenfläche dahinzogen. Ein Hauch von unendlicher Verlassenheit ging von dem Bauwerk aus. Es wirkte auf Everson wie das Monument eines längst vergessenen Giganten, der sich unauslöschlich in die Erinnerung unbekannter Wesen bringen wollte. Wer auch immer hier der Baumeister gewesen war, er stammte nicht von Moluk.
Noch halb befangen von diesem beeindruckenden Bild stieg Everson in die Mulde zurück. Wenn er jemals ein neugieriges Gesicht gesehen hatte, dann war es das von Weiß. Er verkniff sich eine voreilige Bemerkung.
„Kommen Sie mit zu den anderen", sagte er zu dem Biologen. „Ich möchte nicht alles zweimal erzählen."
Weiß reagierte seine Enttäuschung mit einem Tritt in den Sand ab und folgte seinem Kommandanten. Die Raumfahrer hatten die Aktion verfolgt und warteten bereits gespannt.
„Wir haben den Turm", begann Everson knapp und berichtete in kurzen Worten, was er entdeckt hatte.
„Was werden Sie jetzt unternehmen, Sir?" fragte Bellinger, dessen Gestalt in der vergangenen Nacht wohl am meisten gelitten hatte.
„Wir werden hingehen und das Bauwerk untersuchen. Zuvor jedoch wollen wir sehen, ob Mr. Landi bereits eine Verbindung zur MEXICO herstellen kann. Wir wissen nicht, was uns erwartet, und eine gewisse Rückendeckung kann nichts schaden."
Das hörte sich einfach an, war es aber nicht. Gab es überhaupt eine Öffnung, durch die man in das Innere des Turmes gelangen konnte? Everson hatte keine gesehen. Natürlich war es durchaus möglich, auf der anderen Seite eine Tür oder irgendeinen Einstieg zu finden. Auch mit der Unterstützung durch das Raumschiff war es nicht weit her. Selbst wenn es ihnen unter großen Schwierigkeiten gelingen sollte, Scoobey ihre Position klarzumachen, dann würde es immer noch lange dauern, bis der Erste Offizier mit einer Hilfstruppe hier war.
Letzten Endes waren sie auf sich allein gestellt, von welcher Seite man es auch betrachtete.
„Sie können jederzeit mit der MEXICO sprechen", gab Landi bekannt. Er strich beinahe liebevoll über sein Gerät, an dem einige Teile mit Hilfe von Dr. Mortons Verbandskasten an ihren richtigen Plätzen festgehalten wurden. Everson bemühte sich, diese Improvisation zu übersehen.
„Ich mußte es etwas reparieren", sagte Landi mit der Kühnheit eines Südseeinsulaners, der seinen Einbaum mit einigen Blättern abdichten will. Außerdem war es funktechnische Hochstapelei, großartig von einer „Reparatur" zu sprechen, wo es doch bestenfalls ein verunglückter medizinischer Eingriff am toten Objekt war.
„Also gut",
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