0094 - Alle auf einen Schlag
Geschichte hat nun schon fünf Menschen das Leben gekostet. Ich werde Stadt- und Staatspolizei noch verständigen und um Überstellung von Bereitschaften bitten. Heute Nacht werden wir eine Großrazzia machen. Der Hafen muss ausgefegt werden…«
***
Als wir nachmittags gegen sechs bei Hywood auftauchten, empfing uns eine gereizte Atmosphäre. Sechzehn Beamte aus der Kriminalabteilung der City Police saßen in Hywoods großem Office herum und pafften Pfeife, Zigarren und Zigaretten. Die Luft war zum Schneiden dick.
»Was ist denn hier los?«, fragte ich.
»Setzt euch, damit wir anfangen können«, sagte Hywood. Und zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, klang seine Stimme einigermaßen leise.
Wir suchten uns Sitzgelegenheiten und sahen gespannt zu Hywood.
»Ich habe auf eigene Faust unsere Spitzel im Hafen etwas auf Trab gebracht«, fing der Captain an. »Das Ergebnis ist haarsträubend: Fast alle Banden scheinen unter einer Oberherrschaft vereint. Ganz offensichtlich werden Leute erpresst, die im Hafen ihre Geschäfte machen. Manche Gangster treten ganz offen auf, wenn sie die erpressten Gelder abholen. Mister High vom FBI rief mich schon an und hatte offenbar ähnliche Dinge vernommen. Wir werden heute Nacht eine Großrazzia durchführen, vielleicht die größte, die New York jemals erlebt hat. Von uns nehmen zweihundertfünfzig Mann daran teil, und zwar achtzig Kriminalbeamte und hundertzwanzig uniformierte Beamte des Bereitschaftsdienstes. Dazu kommen weitere fünfzig Mann von den Motorradbrigaden. Die State Police wird hundertfünfzig Mann abstellen. Mit dem FBI zusammen ergibt das eine Streitmacht von rund sechshundert Mann. Wir rechnen mit Schießereien und wilden Feuergefechten. Bevor wir alle zum FBI fahren, tun die Razzia im Einzelnen durchzusprechen, müssen wir uns über unsere Fälle unterhalten. Boyd hat in dem Blumengeschäft eine Spur aufgenommen, von wem der Zettel bei der Pralinenpackung stammte. Erzählen Sie das selbst, Boyd.«
Boyd erhob sich und machte eine vage Handbewegung.
»Ich habe ermittelt, dass der Zettel ganz einwandfrei von einer Verkäuferin des besagten Blumengeschäfts aus dem Laden entwendet worden ist. Ich hätte sie wegen Beihilfe an einem Mord verhaften können. Aber ich sagte mir, dass uns eine kleine Mittelsperson weniger interessieren sollte als den wirklichen Drahtzieher. Deshalb ließ ich sie nicht festnehmen, sondern überwachen. Nun, ich muss sagen, die Überwachung führte zu einem eigenartigen Resultat. Schon mittags traf sie sich mit einem Mann, der von uns heimlich fotografiert wurde. Er nennt sich Jack van Beeren und wohnt in der Second Avenue. Hier sind die Bilder.«
Er reichte uns sechs vergrößerte Aufnahmen. Auf allen sechs Bildern fiel zunächst ein recht hübsches Mädchen auf mit schwarzen Haaren.
»Das ist die Verkäuferin«, erklärte Boyd.
Der Mann, mit dem sie an einem Tisch saß, mochte an die vierzig Jahre alt sein. Er hatte etwas verlebte Gesichtszüge und einen brutalen Zug um den Mund. Außerdem hatte er einen kleinen Leberfleck unter dem linken Ohrläppchen.
Phil zeigte mit dem Finger darauf. Ich nickte und sagte: »Hywood, lassen Sie doch mal eine Verbindung mit dem Archiv herstellen!«
Während sich Hywood um die Verbindung mit dem FBI bemühte, betrachteten wir uns die Bilder genauer.
»FBI«, sagte Hywood und hielt uns den Hörer hin. Ich nahm ihn und sagte: »Cotton. Sehr doch mal in der Kartei nach, ob etwas über einen Mann bekannt ist, der einen kleinen Leberfleck unter dem linken Ohrläppchen hat.«
»Okay. Dauert höchstens drei Minuten. Leberfleck unter dem linken Ohrläppchen dürfte nicht allzu häufig sein.«
»Wahrscheinlich nicht.«
Ich wartete. Die anderen Beamten im Raum sahen neugierig zu mir. Es dauerte nicht einmal zwei Minuten, da war der Archivbeamte wieder an der Strippe und las von seiner Karteikarte vor: »Rahlph Burton, Rahlph ungewöhnlich mit ›h‹ hinter dem ›a‹ geschrieben, geboren am 22.3.1920 in New York. N. Y. 1939 verhaftet als Vormann der Collins-Gang, verurteilt zu sechs Jahren wegen Bandenverbrechens. Auf dem Gnadenweg 1943 entlassen. 1945 verhaftet wegen fahrlässiger Tötung, verurteilt zu vier Jahren, sechs Monate vor Ablauf seiner Zeit wegen guter Führung entlassen. 1951 verhaftet wegen Beteiligung an Bandenverbrechen, im Zusammenhang mit der Verhaftung der Morris-Henderson-Gang, verurteilt zu sechs Jahren, restlos abgesessen. Unter Polizeiaufsicht gestellt. Entzog sich der
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