0094 - Alle auf einen Schlag
waren wieder sehr aufschlussreich. Wenn Sie jetzt gehen, seien Sie vorsichtig, dass man Sie nicht sieht.«
»Klar«, sagte Martins und streckte unserem Chef impulsiv die Hand hin: »Bye-bye, Sir. Ich will hoffen, dass ich mich geirrt habe. Sonst wird es im Hafen zu einem Kampf kommen, der allen Beteiligten große Opfer abverlangen wird. Und ich sitze dann mitten zwischen den Fronten.«
Er ging und bestieg seinen Ford wieder. Nachdem er sich ein paar Mal umgesehen und kein bekanntes Gesicht aus der Unterwelt entdeckt hatte, fuhr er langsam an und steuerte seinen Wagen durch den dichten Verkehr zurück zum Hafen.
Er wollte schon auf die Straße abbiegen, in der seine Kneipe lag, als hinter ihm plötzlich ein Geräusch entstand. Vom Boden des Wagens her richtete sich ein Mann auf. Er hielt eine Pistole in der Hand und sagte: »Fahr rechts rein, Rog, sonst knallt es.«
Roger Martins überwand schnell seinen Schrecken. Es kam öfter vor, dass ihn Gangster unter merkwürdigen Umständen sprechen wollten. Meistens musste er ihnen dann Geld leihen. Manchmal zahlten sie es später sogar zurück.
Er folgte dem Befehl und fuhr rechts durch die Einfahrt eines Docks. Hier herrschte der übliche Betrieb. Lastwagen kamen und fuhren ab, metallene Schiffbauteile wurden abgeladen, Niethämmer dröhnten. Arbeiter liefen scheinbar planlos durcheinander, Kräne rasselten und Lautsprecherstimmen schrien ihre Anweisungen.
»Steig aus!«, befahl der Gangster. »Aber wenn du eine dumme Bewegung machst, hast du’n Loch im Kreuz.«
»Bin doch kein Selbstmörder«, brummte Martins.
Er stieg aus.
»Wir gehen nach da drüben«, entschied der Gangster. »Hinter den Bretterstapel. Da können wir ungestört miteinander reden.«
»Okay«, nickte Martins.
Sie überquerten einen freien Platz, auf dem Stromkabel für die elektrischen Bohrer und Niethämmer herumlagen, und gingen hinter einen mehr als mannshohen Holzstapel.
Martins wollte sich gerade umdrehen, als ihm der Gangster von hinten den Unterarm um den Hals warf und fest zudrückte. Martins bekam keinen Ton heraus. Er fühlte nur plötzlich einen irrsinnigen Schmerz, als ihm etwas kalt und heiß zugleich durch die Brust und ins Herz fuhr.
Der Gangster ließ Martins zu Boden sinken und sah sich um. Niemand war zu erblicken. Mit einem raschen Griff riss er das Messer wieder aus der Brust seines Opfers, ließ die Klinge in den Griff zurückschnellen und verschwand schnellen Schrittes.
Rings um Roger Martins bildete sich langsam eine größer werdende Blutlache.
***
Wir fuhren langsam durch die 168th Street. Thunder saß hinter uns und hatte den Kragen seines Jacketts hochgestellt und den Hut tief ins Gesicht gezogen.
Er wollte auf keinen Fall von außen gesehen und erkannt werden. Seine Vorsicht lag durchaus in unserem Interesse. Dass man Thunders aus Rache umbrachte, weil er uns an die Bande heranführte, musste auf jeden Fall vermieden werden.
»Auf der linken Seite kommt gleich ein Haus, in dem unten ein Fischgeschäft ist«, sagte Thunders. »Achten Sie auf dieses Haus und sehen Sie es sich möglichst genau an, während Sie vorbeifahren.«
»In Ordnung«, entgegnete ich.
Wir fuhren weiter. Die Gegend war nicht gerade verkommen, aber sauber war sie auch nicht. Als das Fischgeschäft auf der linken Seite auftauchte, musterten Phil und ich gründlich das sechsstöckige Haus. Es mochte aus den Jahren nach dem ersten Weltkrieg stammen. Stellenweise war der Mörtel der Fassade bereits abgebröckelt, und schmutziges Steinwerk sah darunter hervor. Eine Steintreppe von sechs oder sieben Stufen führte zur Haustür im Hochparterre hinauf.
Ich fuhr vorbei, ohne die Geschwindigkeit herabzusetzen. Nach ein paar Kreuzungen bog ich in eine Seitenstraße ein, stoppte und drehte mich um.
»Okay, Thunders. Wer ist in dem Haus?«
»Morgy Lune und Barry Fairs. Wahrscheinlich unter anderen Namen. Aber sie wohnen unterm Dach. Das weiß ich genau.«
»Gut. Vielen Dank für den Tipp. Wir setzen Sie zu Hause wieder ab.«
»Nicht direkt vor dem Haus. In der Nähe einer U-Bahn-Station, wenn ich bitten darf. Ich werde dann so tun, als käme ich aus dem U-Bahn-Schacht.«
»Sie und U-Bahn?«, fragte Phil.
»Ja. Ich fahre immer mit der U-Bahn oder mit dem Bus. Ich besitze keinen eigenen Wagen. Das ist mir viel zu gefährlich heutzutage.«
Wir grinsten uns an. Ein Millionär ohne Auto! So was gibt es also auch.
Phil kennt New York und vor allem Manhattan wie seine Westentasche. Er wusste die
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