0094 - Das Grauen lauert in Soho
noch den Unmut, der immer hartnäckiger in ihm gärte. Zamorra mußte sich eingestehen, daß er sich vorkam wie einer, den man eingemauert und zu einem Spaziergang durch Wald und Flur ermuntert hatte.
Einesteils trieb es ihn dazu, den Überfall auf die Bank weiterzuverfolgen, wobei er nicht die geringste Ahnung hatte, wie er an neue, brauchbare Fakten herankommen sollte; andererseits nistete sich in ihm die Angst ein, zu viel wertvolle Zeit zu verlieren, wenn er diesen Kurulu noch länger vergeblich suchte.
Dennoch — irgendeine dumpfe Ahnung sagte ihm, daß der kuriose Besitzwechsel des Chatelneau Faksimiles etwas mit dem Banküberfall zu tun hatte.
Bei Zamorra waren derartige Ahnungen durchaus nichts Ungewöhnliches. Die ständige Beschäftigung mit Übersinnlichem hatte in ihm Fähigkeiten herausgebildet, die Normalsterblichen für immer verwehrt bleiben. »Die Umwelt formt den Menschen«, heißt es, und niemand zweifelt ernsthaft an diesem Lehrsatz. Die Beschäftigung mit Geistern und Dämonen, die Erforschung widernatürlicher Phänomene, hatten Professor Zamorra geformt, hatten ihn über seine Umgebung hinauswachsen lassen. Nicht zuletzt der verstärkenden Kraft des magischen Amuletts wegen, glaubte er manchmal, außersinnliche Wahrnehmungen bei sich feststellen zu können.
Und nun sagte ihm sein Gefühl, daß das Auftauchen des Chatelneau Faksimiles auch etwas mit diesem Banküberfall und dem Mordversuch an Judy Pembroke zu tun hatte. Irgendwelche, auf rationalen Überlegungen basierende Gedankengänge hätte Zamorra nicht aufzeigen können.
Jake Brabham und Professor Zamorra schritten die Grove Road ein zweites Mal ab.
Der junge Mann musterte die Häuserzeilen, suchte sie besonders nach Treppenabgängen zu Souterrainwohnungen ab, während Zamorra sich auf das Silbermedaillon konzentrierte. Es war nicht ausgeschlossen, daß das Wundermetall Strömungen auffing, die ihm verborgen geblieben wären.
Das Amulett Leonardo de Montagnes hatte erwiesenermaßen die Eigenart, sich zu erwärmen oder sich sonst irgendwie bemerkbar zu machen, wenn es in den Bannkreis überirdischer Kraftentfaltungen geriet.
Zwischen den Hausnummern dreizehn und fünfzehn spürte Zamorra schließlich deutlich eine Veränderung am Metall. Es wurde tatsächlich wärmer.
Der Dämonenjäger hielt an. Auch Jake Brabham blieb stehen.
»Professor! Hier ist es bestimmt nicht. Weit und breit keine Souterrain Wohnung. Ich fürchte, meine Phantasie hat mir einen bösen Streich gespielt. Zusammen mit dem Alkohol, den ich vor einer Woche in mich hineingeschüttet habe.«
»Seien Sie still!« erwiderte Zamorra gröber als beabsichtigt. Er stand vor einer unscheinbaren Gasse, und eben hatte das Amulett zu vibrieren begonnen. Ein untrügliches Zeichen dafür, daß Jake Brabham sich gar nicht so sehr getäuscht hatte. Irgendwo in allernächster Umgebung mußte etwas sein, das sein Amulett aktiviert hatte.
Zamorra ging einige Schritte in die unscheinbare Gasse hinein. Jake Brabham folgte ihm unaufgefordert.
Die Schlucht zwischen den zweistöckigen Häusern war nicht sehr lang und öffnete sich bald wieder in eine weitere, etwas breitere Sackstraße, die abrupt vor einer Mauer endete.
»Das hier muß es sein!« stieß Brabham plötzlich aus. »In jener Nacht bin ich noch mit dem Schädel gegen diese Mauer gerannt. Ich hatte sie vollkommen übersehen. Das ist die Straße. Jetzt bin ich mir ganz sicher. Gleich da vorne ist auch der Abgang zu dieser Kellerwohnung.« Er streckte seinen Zeigefinger aus und rannte schon mal vor. Zamorra eilte hinter ihm her.
»Stopp«, sagte er dann. »Wir wollen nichts überstürzen, Mister Brabham. Sind Sie ganz sicher?«
Brabham griente. »Den Umständen entsprechend. Aber wenn wir hier nicht am Ziel sind, können wir die Suche aufgeben. Dann finde ich die Bude des Kanaken nie mehr.«
Zamorra antwortete nicht.
Er betrachtete das verwitterte Schild, das über dem Eingang zur Souterrainwohnung angebracht war. Chinesische oder irgendwelche andere fernöstliche Schriftzeichen. Er konnte sie nicht entziffern, und eine Übersetzung in eine der westlichen Sprachen fehlte.
Doch in einem normalen Fenster, gleich neben dem Eingang, waren Utensilien ausgestellt, die Zamorra wieder bekannt vorkamen. Ihm wurde klar, daß er vor einer Art Apotheke stand, wie man sie auf dem ganzen indischen Subkontinent antrifft, auf den Inseln Indonesiens, auf den Philippinen und auch auf dem malaiischen Archipel.
Hier wurden keine
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